Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
haben. Und jetzt sagen Sie, die Amerikaner seien der Feind?“
„Gewiss, wir lassen uns von den Amerikanern im Kampf gegen die Russen helfen“, erwiderte Sawahiri, „aber sie sind genauso schlecht.“
„Wie können Sie beide gleichsetzen?“, rief Schleifer aufgebracht. „In Amerika gibt es für den Islam mehr Religionsfreiheit als in Ägypten. Und in der Sowjetunion sind 50 000 Moscheen von den Behörden geschlossen worden!“
„Sie können das nicht verstehen, weil Sie Amerikaner sind“, erwiderte Sawahiri.
Schleifer entgegnete zornig, dass sie dieses Gespräch nur deshalb führen könnten, weil die NATO und die amerikanische Armee die Russen daran gehindert habe, Europa zu überrennen und sich anschließend den Nahen Osten vorzunehmen. Das Gespräch endete mit einer Verstimmung. Die beiden hatten schon häufig miteinander debattiert, doch stets mit gegenseitigem Respekt und auf humorvolle Art. Diesmal aber hatte Schleifer den Eindruck, dass Sawahiri eigentlich nicht mit ihm persönlich redete - er wollte eine viel größere Zahl von Menschen ansprechen.
Aus Schleifers Vorschlag, Afghanen als journalistische Mitarbeiter zu schulen, wurde nichts.
Im März 1981 kehrte Sawahiri zu einem weiteren Einsatz für den Roten Halbmond nach Peschawar zurück. Dieses Mal verkürzte er seinen Aufenthalt und war schon nach zwei Monaten wieder in Kairo. Später schrieb er, er habe den afghanischen Dschihad als „ein äußerst wichtiges Trainingsgelände“betrachtet, „um die muslimischen Mudschahidin darauf vorzubereiten, ihren lange erwarteten Kampf gegen jene Supermacht zu führen, die heute die alleinige Weltherrschaft besitzt, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika.“ 27
ALS SAWAHIRI seine ärztliche Tätigkeit in Maadi wieder aufnahm, erzitterte die islamische Welt noch immer unter den Folgen des politischen Erdbebens von 1979, das nicht nur durch den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan ausgelöst worden war, sondern auch durch die Rückkehr von Ajatollah Chomeini in den Iran und den Sturz des Pfauenthrons - der ersten islamistischen Machtübernahme in einem größeren Land. Als sich Mohammed Resa Pahlawi, der abgesetzte Schah, zu einer Krebsbehandlung nach Amerika begab, stachelte der Ajatollah islamische Studenten dazu an, die amerikanische Botschaft in Teheran zu stürmen. Sadat betrachtete Chomeini als „einen Verrückten … der Hohn und Spott über den Islam gebracht hat“. 28 Er lud den kranken Schah ein, sich in Ägypten niederzulassen, wo Resa Pahlawi im folgenden Jahr starb. Für die Muslime in aller Welt stellte Chomeini die Auseinandersetzung mit dem Westen in einen neuen Rahmen. Anstatt anzuerkennen, dass die Zukunft des Islams in einem säkularen, demokratischen Modell liege, setzte er eine radikale Umkehr durch. In seinen zündenden Ansprachen beschwor er die unbezwingbare Kraft des Islams eines vergangenen Jahrtausends, und dies in einer Sprache, in der bereits Bin Ladens spätere revolutionäre Tiraden aufscheinen. Die Freiheit war das Hauptziel seiner Angriffe auf den Westen. „Ja, wir sind Reaktionäre, und ihr seid erleuchtete Intellektuelle: Ihr Intellektuellen wollt nicht, dass wir 1400 Jahre in die Vergangenheit zurückkehren“, erklärte er kurz nach seiner Machtübernahme. „Ihr, die ihr Freiheit wollt, Freiheit für alles, die Freiheit der Parteien, ihr, die ihr alle Freiheiten haben wollt, ihr Intellektuellen: eine Freiheit, die unsere Jugend verdirbt, eine Freiheit, die dem Unterdrücker den Weg ebnet, eine Freiheit, die unser Land zu Boden ziehen wird.“ 29 Schon in den vierziger Jahren hatte Chomeini erkennen lassen, dass er bereit sei, terroristische Mittel einzusetzen, um die von ihm ausgemachten Feinde des Islams zu demütigen, und hatte dies sowohl theologisch begründet als auch materiell unterstützt. „Der Islam sagt: Alles Gute besteht nur dank des Schwertes und des Schattens des Schwertes! Die Menschen können nur durch das Schwert zum Gehorsam erzogen werden! Das Schwert ist der Schlüssel zum Paradies, das nur für Gotteskrieger geöffnet werden kann!“ 30
Da Chomeini der schiitischen Strömung des Islams angehörte und nicht der sunnitischen, die überall in der muslimischen Welt mit Ausnahme von Irak und Iran vorherrscht, wurde er für die sunnitischen Radikalen zu einer zwiespältigen Figur. 1 Dennoch unterstützte Sawahiris Organisation al-Dschihad die iranische Revolution mit Flugblättern und Tonbandkassetten, in denen alle islamischen
Weitere Kostenlose Bücher