Der Todesflug der Cargo 03
Abschätzens rieb sich Lee Raferty die ölverschmierten Hände mit einem Tuch sauber und kam auf Pitt zu. »Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein?«
»Ja. Sind Sie Lee und Maxine Raferty?«
Diese Frage von Pitt veranlaßte die Dame des Hauses, mit einer abrupten Bewegung von dem Korbstuhl aufzustehen, auf dem sie bis dahin regungslos gekauert hatte. »Ganz recht«, sagte sie mit fester Stimme und indem sie Pitt einen herausfordernden Blick zusandte. »Wir sind die Rafertys!«
»Ich bin Dirk Pitt«, sagte der so Gemusterte, ohne sich von der kaum merklichen Schärfe im Tonfall der Blockhausbesitzerin beeindrucken zu lassen. »Ich bin Gast von Laura Smith, weiter oben an der Straße.«
Dieser Hinweis brach das Eis. Der fragende Ausdruck im Gesicht der beiden Rafertys machte einem breiten Lächeln Platz. »Laura Smith«, sagte Mrs. Raferty mit einem Ausdruck unverhohlener Bewunderung. »Wir sind hier alle sehr stolz auf Laura Smith. Sie tut viel für uns und für die Gegend. Von der könnten sich viele Lokalpolitiker eine Scheibe abschneiden. Eine tüchtige Frau. Nur leider zu selten hier.«
»Ich bin gekommen, weil ich Sie etwas fragen wollte, was die Gegend hier betrifft.«
»Wenn wir Auskunft geben können, gerne«, antwortete Lee Raferty.
»Steh nicht so herum wie ein Klotz. Gib unserem Gast was zu trinken. Mister Pitt sieht aus, als ob er Durst hat.«
»Danke«, bemerkte Pitt, als er den fragenden Blick von Lee Raferty auf sich ruhen sah. »Ein Bier wäre nicht schlecht.«
Pitt ging auf die Tür des Blockhauses zu. Mrs. Raferty öffnete und schob ihn mit einer freundlichen Gebärde durch die Türöffnung. »Sie bleiben zum Mittagessen!« sagte sie, als sie drinnen waren. Es war mehr ein Befehl als eine Bitte. Pitt entschloß sich, das Unvermeidliche in Ergebenheit hinzunehmen und der mit so großer Bestimmtheit ausgesprochenen Einladung nachzukommen. Es schien ihm die einzige Möglichkeit, jene Information zu erhalten, die er sich von den Rafertys erhoffte. So nickte er der Hausherrin, die die Einladung ausgesprochen hatte, freundlich zu. Dann sah er sich im Inneren des Hauses um. Es wirkte mehr wie ein Bungalow denn wie ein Blockhaus. Der Wohnraum, in dem er sich befand, war weiträumig und hoch. Ungehindert ging der Blick bis an die alte Balkendecke. Nur an einer Seite des Raumes wurde die Symmetrie von einer Treppe unterbrochen, die nach oben führte und das Erdgeschoß mit einem Schlafraum verband, vor dem eine Empore verlief. Der weitläufige Wohnraum war mit erlesenen Möbeln im »Art Deco«-Stil ausgestattet. Pitt fühlte sich in die Dreißiger Jahre versetzt, während er herumging und die Ausstrahlung dieses Interieurs genoß. Mrs. Raferty hatte ihn alleingelassen und war zur Küche geeilt, aus der sie bald darauf mit zwei bereits geöffneten Bierflaschen zurückkehrte. Es fiel Pitt auf, dass die Flaschen kein Etikett trugen.
»Ich hoffe, mein selbstgebrautes Bier schmeckt Ihnen«, sagte Lee Raferty lächelnd, als er das zweifelnde Blinzeln in Pitts Augen bemerkte. »Ich bin richtig stolz auf meine Fähigkeiten als Brauer. Vier Jahre lang hab’ ich herumlaboriert, bis ich den Trick raus hatte. Sie wissen schon: einmal war’s zu süß, dann wieder zu bitter. Aber jetzt schmeckt’s richtig. Hat acht Prozent Alkohol, falls Sie das interessiert.«
Pitt kostete aus der Flasche. Es schmeckte besser, als er erwartet hatte. Außer einem sehr geringfügigen Nachgeschmack nach Hefe war an Mr. Rafertys Gebräu nichts auszusetzen. Man hätte es jederzeit als Markenbier verkaufen können.
Maxine Raferty war mit dem Tischdecken fertig. Sie winkte den beiden Männern zu, zum Essen zu kommen. Es gab eine große Schüssel recht schmackhaften Kartoffelsalat, gebackene Bohnen, zartes Rindfleisch in Scheiben und eine andere, Pitt unbekannte, Fleischsorte als Zwischengang. Die Hausherrin servierte. Als die Männer bereits aßen, ging sie noch einmal in die Küche, um die beiden inzwischen geleerten Bierflaschen gegen zwei volle auszutauschen. Pitt, der trotz der vor nur einer Stunde eingenommenen Morgenmahlzeit von Laura Hunger verspürte, ließ sich nicht lange bitten, sondern griff kräftig zu. Es schmeckte ihm. Er aß wie ein Scheunendrescher, was ihm alsbald die unverhohlene Sympathie der Köchin eintrug. »Leben Sie hier schon lange?« fragte er zwischen zwei Bissen.
»Wir haben hier, in der Gegend um Sawatch, schon in den fünfziger Jahren oft Ferien gemacht. Damals war Sawatch als
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