Der Todesflug der Cargo 03
behalten habe oder nicht. Wenn Pitt behauptet, es gäbe einen Weihnachtsmann und morgen sei Bescherung, dann tun Sie gut daran, sich ein Paar möglichst große Stiefel zu kaufen und vor die Wohnungstür zu stellen. Verstehen Sie, was ich meine?«
Steiger schüttelte den Kopf und seufzte. Dann bedeckte er seine Augen mit der rechten Hand. Es war, als ob er einen Traum verscheuchen wollte, der zu einem Alptraum zu werden droht.
8
Pitt lag auf den Knien in dem sanft schaukelnden Ruderboot aus Aluminium. Ein mit Batterie betriebenes kleines Fernsehgerät mit milchiger Sichtscheibe stand neben ihm. Weiter vorne im Boot saß Steiger, er ruderte. In einem zweiten Boot, in sechs Meter Entfernung, saß Giordino. Sie konnten ihn kaum sehen, weil er hinter einer breiten Front von übereinandergestapelten elektronischen Geräten nahezu verborgen war. Auch Giordino ruderte und bemühte sich, sein Boot in gleichbleibender Entfernung zu Pitt und Steiger zu halten. Aufmerksam beobachtete er das dicke Kabel, das von den elektronischen Geräten auf seinem Boot ins Wasser hinunterhing und an dessen Ende eine wasserdichte Fernsehkamera befestigt war. Langsam glitten die beiden Boote über den See, während die Fernsehkamera in Bodennähe über den Seegrund gezogen wurde.
»Sagt mir bitte Bescheid, wenn ein guter Horrorfilm auf eurem Sichtschirm erscheint«, rief Giordino zum anderen Boot hinüber und gähnte.
»Rudere schneller!« antwortete ihm Steiger. »Sonst stoßen wir zusammen.«
Pitt beteiligte sich nicht an dem Wortwechsel. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Sichtschirm, dessen Bild er trotz des schaukelnden Bootskörpers genau verfolgte. Ein kalter Wind kam von den Bergen, erreichte den See und kräuselte dessen Oberfläche. Giordino und Steiger, beide keine geübten Ruderer, hatten Schwierigkeiten, die beiden Boote im richtigen Abstand voneinander und auf dem von Pitt vorgegebenen Kurs zu halten.
Seit dem frühen Morgen waren sie nun auf dem See. Die einzigen Objekte, die als entsprechende Konturen auf dem Fernsehschirm sichtbar geworden waren, waren verschlammte Felsbrocken gewesen, vermoderte Baumstämme, die vor Generationen ins Wasser gesunken waren, und Forellen, die vor dem herangleitenden Kameraauge jeweils einen respektvollen Bogen vollführten.
»Wäre es nicht besser gewesen, wir wären mit einer Tauchausrüstung auf den Grund des Sees hinabgestiegen?« unterbrach Steiger den geduldig vor dem Sichtgerät kauernden Pitt. Der rieb sich mit der Hand über die schmerzenden Augen. »Nein«, sagte er dann. »Mit der Fernsehkamera schaffen wir viel mehr als im Taucheranzug. Sie müssen bedenken, dass der See immerhin sechzig Meter tief ist. Ein Taucher kann in dieser Tiefe nur eine sehr begrenzte Zeit arbeiten. Unterhalb zwanzig Meter Tauchtiefe sinkt die Wassertemperatur auf Werte nahe dem Gefrierpunkt. Bei dieser Kälte kann man froh sein, wenn man es zehn Minuten lang aushält und trotzdem lebend wieder hochkommt.«
»Aber was machen wir denn, wenn wir etwas finden?«
»Dann ziehe ich einen Tauchanzug an und sehe mir die Sache vor Ort an. Aber nicht eine Sekunde eher.«
Auf dem kleinen Monitorschirm des Gerätes erschienen jetzt die Umrisse eines merkwürdigen Gebildes. Pitt beugte sich vor, um besser zu sehen, wobei er das störend einfallende Tageslicht mit einem schwarzen Tuch abschirmte. »Endlich kriegt Giordino seinen Horrorfilm zu sehen«, sagte er. »Was ist es?« fragte Steiger aufgeregt.»Sieht aus wie die Überreste eines alten Blockhauses.«
»Ein Blockhaus auf dem Seeboden?«
»Sehen Sie selbst!«
Steiger beugte sich über Pitts Schulter und starrte auf den Fernsehschirm. In der Tat erfaßte die Kamera, die in einer Tiefe von 46 Metern unter der Wasseroberfläche gehalten wurde, im eisigen Wasser die Umrisse eines Blockhauses. Die blassen Strahlen der Herbstsonne, die durch die bewegte Oberfläche des Sees bis in die Tiefe fielen, tauchten das seltsame Gebilde am Grunde des Bergsees in ein geisterhaft anmutendes Licht.
»Wie zum Teufel kommt ein Blockhaus mitten in den See?« wunderte sich Steiger.
»Das ist nicht so schwer zu erklären«, erklärte Pitt. »Der Table Lake wurde von Menschenhand angelegt. Bis zum Jahre 1945 war hier nur ein Flußbett. Dann wurde das Wasser mit Hilfe eines Damms gestaut, so dass dieser See entstand. Zu den Gebäuden, die damals überflutet werden mußten, gehörte auch eine Sägemühle. Das Blockhaus, das wir hier auf dem Sichtschirm haben, diente vermutlich
Weitere Kostenlose Bücher