Der Todesflug der Cargo 03
1988
26
Es dauerte zwei volle Monate, bis sich Steigers Vorgesetzte im Pentagon endlich entschlossen, den ihnen vorgelegten Bericht über die Entdeckung der Cargo 03 offiziell zur Kenntnis zu nehmen. Er wurde aufgefordert, nach Washington zu kommen und sich dort für eine nähere Befragung zur Verfügung zu halten. An einem Montag, morgens um acht, war es dann soweit. Die versammelten Militärs musterten ihn abschätzig und kühl, als er in den Amtsraum von General Ernest Burgdorf eintrat. Einen Augenblick lang hatte Steiger das Gefühl, vor dem Volksgerichtshof eines totalitären Staates zu stehen. Noch ehe er den Mund aufgemacht hatte, war er – wie es ihm schien – vom Zeugen zum Angeklagten geworden. Es war wie ein Wirklichkeit gewordener Alptraum.
General Burgdorf, Chef der Abteilung Flugsicherheit der amerikanischen Luftwaffe, eröffnete die Verhandlung. Nach einer kurzen Einführung erteilte er dem Staatssekretär General John O’Keefe das Wort, der alsbald die Zweifel der Regierung an der Bedeutung des gesunkenen Flugzeugwracks zum Ausdruck brachte. Warum in aller Welt, so fragte er, solle man dieses Wrack ans Tageslicht bringen? Das einzige Ergebnis würden sensationell aufgemachte Berichte in den Nachrichtenmedien sein. Neue Erkenntnisse würden nicht gewonnen werden. Und die Toten würden durch die aufwendige Bergungsaktion, die zur Hebung erforderlich wäre, auch nicht wieder lebendig. »Aber die Familien dieser Soldaten…« protestierte Steiger. »Man kann doch nicht den Familien der abgestürzten Mannschaftverschweigen, dass wir die sterblichen Überreste dieser Männer aufgefunden haben.«
»Kommen Sie doch zur Vernunft, Oberst Steiger. Was haben denn diese Familien davon, wenn alte Wunden wieder aufgerissen
werden? Die Eltern der abgestürzten Mannschaftsangehörigen sind mit großer Wahrscheinlichkeit schon lange tot. Die Frauen haben sich wieder verheiratet. Die Kinder sind groß geworden, von neuen Vätern erzogen und lieb gewonnen worden. Es ist doch wirklich das beste, wenn alle diese Menschen ihr Leben in Ruhe und Frieden so weiter führen wie bisher.«
»Damit wäre aber immer noch nicht das Problem der Ladung aus der Welt geschafft«, wandte Steiger ein. »Es besteht die Möglichkeit, dass die Cargo 03 auf ihrem Unglücksflug Nuklearsprengköpfe transportierte…«
»Das haben wir doch alles schon doppelt und dreifach gecheckt!«, fiel ihm O’Keefe ins Wort. »Eine genaue Überprüfung aller Waffenlager hat ergeben, dass keinerlei Nuklearsprengköpfe vermisst werden. In den Listen wird genauestens Nachweis geführt über alle Atomwaffen und über alles radioaktive Rüstungsmaterial, von der Hiroshimabombe bis zum kleinsten Uranbrennstab irgendeines Atommeilers in der amerikanischen Provinz. Es gibt keine Fehlbestände, Oberst Steiger, und wenn Sie sich noch so als wiederauferstandener James Bond gebärden.«
»Es ist aber doch eine Tatsache, Sir, dass nukleares Rüstungsmaterial in der Art von rostfreien Edelstahlbehältern transportiert wurden und immer noch transportiert werden, wie ich sie auf dem Grunde des Table-Lake in dem gesunkenen Wrack gesehen habe.«
»Ist Ihnen vielleicht schon einmal der Gedanke gekommen, Oberst Steiger, dass die Behälter, die Sie
behaupten
gesehen zu haben, leer sein könnten?«, sagte Burgdorf scharf.
Steiger schwieg resigniert. Er hatte das Gefühl, gegen Windmühlenflügel zu kämpfen. Man behandelte ihn hier wie ein übergeschnapptes Kind, das behauptete, mitten in Minnesota einem lebenden Mammut begegnet zu sein.
»Selbst wenn ich einmal davon ausgehe, dass es sich bei dem Wrack wirklich um das gleiche Flugzeug handelt, das wir bisher auf dem Grunde des Pazifischen Ozeans vermuteten, dann bin ich doch dafür, schlafende Hunde nicht zu wecken«, fügte Burgdorf hinzu. Staatssekretär O’Keefe meldete sich zu Wort. »Es gibt da noch einen Gesichtspunkt, der zu bedenken ist. Die Luftwaffe kann wenig Interesse daran haben, eine öffentliche Diskussion über die enorme Kursabweichung auszulösen, die damals die Suche nach der Cargo 03 zum Scheitern verurteilt hat. Eine solche Kursabweichung muß auf eklatanten Fehlern des technischen Geräts oder auf menschlichem Versagen von unvorstellbarem Ausmaß beruhen.
Denken Sie doch einmal nach! Wenn ein mit allen technischen Finessen ausgerüstetes Flugzeug der amerikanischen Luftwaffe eintausendfünfhundert Kilometer weit in Entgegengesetzter Richtung zum vorgegebenen Kurs fliegt, dann müssen
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