Der Todeskreuzer
hatte, sich ihn und seinen Bruder zu holen. War das da hinter ihm jetzt eine untote Version von Myss? Wie war die Myss-Kreatur vor ihm in diesen Teil des Zerstörers gelangt, und was hatte sie inmitten dieses Haufens aus menschlichem Abfall getrieben? Keine dieser Fragen kam ihm auch nur in den Sinn - bloß der Gedanke, dass das Geschöpf ihn hierher verfolgt hatte, um jenen unvergänglichen Drang zu befriedigen, der es vorantrieb, was immer das auch sein mochte.
Rache.
Mordgier.
Hunger.
Unter ihm bewegte sich etwas in dem Berg.
Das ist bloß irgendein Körperteil denk nicht darüber nach, lass nicht zu, dass ...
Er fühlte, wie sich eine schorfige, eiskalte Hand aus dem Haufen reckte und seinen Knöchel packte.
Trig stieß ein gequältes, furchtsames Kreischen aus und wand sein Bein frei, wobei er beinahe das Gleichgewicht verlor und stürzte. Vor seinem inneren Auge sah er, wie seine kleine, hilflose Gestalt den Abhang aus Leichen wieder hinunterkullerte, während Hände, Arme und Mauler vorschnellten und Teile seines Fleisches aus ihm rissen, bis sie dem Berg schließlich seinen eigenen blutenden Körper hinzugefügt hatten.
Stattdessen kletterte er schneller, zwang sich, seine Finger tief in das rottende Fleisch zu graben, zog sich nach oben und stieß dabei Leichen nach unten. Er war jetzt so nah beim »Gipfel«, dass er tatsächlich in den Luftschach i hineinsehen konnte, in die große Rohrleitung, die hier freilag.
Geh! Geh einfach!
Mit gewaltiger Anstrengung - zumindest kam es ihm so vor - katapultierte er seinen ganzen Körper in die Höhe. Mittlerweile hatte sein Gehirn vollends abgeschaltet. Er roch den Raum nicht länger oder fühlte, wie diese schreckliche, eisige Präsenz an ihm klebte. Er nahm nur das wahr, was sich vor ihm befand und was er tun musste, um dort hinzugelangen, und die letzten paar Sekunden, als er sich zur Spitze des Haufens vorarbeitete, hinterließen keinerlei Spuren in seiner Erinnerung, gleich welcher Art - ebenso gut hätte sie jemand vollkommen anderes durchmachen können, ein Fremder.
Er kam wieder vollends zu Sinnen, als seine Finger über kaltes Metall kratzten, über die segensreiche Festigkeit der Außenseite des Rohrs, und mit einem Keuchen wuchtete er seinen Oberkörper hinein, riss die Beine hinter sich hoch und gestattete sich erst jetzt, wieder zu atmen. Der Schacht war nicht viel breiter als seine Schultern, aber er war groß genug.
Mit einer Art gedämpfter Hysterie schaute Trig sich um.
Sein Herz pochte wie wild, versuchte, ein Loch in die Brust zu reißen, die Muskeln in seiner Kehle arbeiteten hektisch.
Ich fang gleich wieder an zu heulen. Tja. dann nur zu, flenn ruhig! Ich schätze, das hast du dir verdient.
Gleichwohl stellte er fest, dass seine Augen trocken waren. Zumindest hatte er mit der Spitze des Haufens menschlicher Leiber einen Ort erreicht, der jenseits aller Tränen lag.
Unter ihm ertönte ein pfeifendes Atemgeräusch, und als er nach unten schaute, sah er, dass das Ding mit dem Sturmtruppen-Helm noch immer den Leichenberg emporkletterte.
Trig ließ den Blick in dem Lüftungsschacht nach links und rechts schweifen. Dann entschied er sich für eine Richtung und krabbelte los.
35
DIE GANZE KRANKE TRUPPE
Auf der anderen Seite des Haupthangars verfolgte Sartoris, wie die Gestalten auf ihn zukamen.
Er hatte sie das erste Mal auf sich zukommen sehen, unmittelbar nachdem das Geballer aufgehört hatte, zuerst bloß eine Handvoll, dann weitere, jetzt Dutzende - sie bewegten sich wie eine Masse, wie ein einzelner Organismus, der aus unzähligen kleineren Elementen bestand. Sie waren nun nah genug, dass er individuelle Gesichter erkennen konnte, von Männern, mit denen er jahrelang auf dem Gefängnisschiff zusammengearbeitet hatte, von Wachen, die er mit dem Vornamen angesprochen hatte, von Soldaten, die seine Befehle mit äußerster, bedingungsloser Loyalität befolgt hatten, von Gefangenen, die einst vor Furcht erschauert waren, wenn er an ihnen vorbeiging. Jetzt bewegten sie sich wie ein einziges Wesen, ihre aufgedunsenen, von der Seuche verheerten Leiber drängten sich aneinander, vorn Tod in ewiger Brüderschaft vereint. Sie kamen, um ihn zu holen.
Hinter ihm ertönte das scharfe Klirren von Metall auf Metall. Ein dumpfes, kollektives Stöhnen drang aus den Schatten, tief und gefräßig, und Sartoris wirbelte herum und sah zwischen den gekaperten Schiffen hindurch, um unter dem X-Flügler schemenhafte Bewegungen ausmachen zu müssen.
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