Der Todesstoss
Heide, der bei ihm war, hierher
gekommen sind!«
Andrej runzelte die Stirn. Er hatte keine Dankbarkeit von
Thobias erwartet, aber das … ?
»Wie bedauerlich, dass sie nicht mehr hier sind, um Stellung
zu diesen Vorwürfen zu nehmen, nicht wahr?«, sagte der
Inquisitor.
Thobias wollte antworten, aber Vater Benedikt kam ihm
zuvor: »Verzeiht, Exzellenz«, mischte er sich ein. Seine Stimme
war voller Angst, auch wenn sie kaum mehr als ein Flüstern
war. »Aber Bruder Thobias hat Recht. Ich selbst habe mit
diesem Andrej gesprochen, und ich habe das Böse gespürt, das
ihn umgibt.
Dieser Mann ist der Teufel. Thobias hätte sich nicht mit ihm
abgeben dürfen, das ist wahr, aber er ist jung, und sein Glaube
an die Wissenschaft hat ihn blind gemacht.«
Der Inquisitor seufzte. »Ich bitte Euch, Vater Benedikt!
Wofür haltet Ihr mich - für ein Ungeheuer? Ich bin nicht
hergekommen, um unschuldige Menschen umzubringen,
sondern um sie zu retten!« Er wandte sich an Thobias. »Ich
kann und will nicht darüber urteilen, ob Euer blinder Glaube an
die Wissenschaft Ketzerei ist oder nicht, Thobias. Das sollen
und werden andere entscheiden. Aber wenn das, was hier
geschieht, nur eine Krankheit ist, müsstet ihr die Menschen
dann nicht heilen? Und sagt: Wenn ich ein übles Geschwür
hätte, würdet Ihr es nicht ausbrennen, damit es nicht meinen
ganzen Körper vergiftet?«
»Natürlich«, antwortete Thobias, »aber …«
»Und würdet Ihr nicht in Kauf nehmen, auch ein wenig
gesundes Fleisch mit zu verbrennen, um die Ausbreitung der
Krankheit zu verhindern?«
»Das habt Ihr doch bereits getan!«, antwortete Thobias heftig.
»Birgers Familie ist ausgelöscht. Die, die nicht in die Berge
geflohen sind, habt Ihr verbrannt! Wie viele wollt Ihr noch
töten?«
»So viele, wie nötig sind«, antwortete der Inquisitor hart.
»Glaubt nicht, dass es mir Freude bereitet. Aber wenn ich auch
nur eine einzige unschuldige Seele rette, dann hat es sich
gelohnt.«
»Indem Ihr hundert andere Unschuldige opfert?«
»Selbst wenn es so wäre, wäre ihnen Gottes Lohn gewiss«,
wandte der Inquisitor ein. »Es geht um ihre Seelen.« Sein
Lächeln wurde noch härter. »Und auch um Eure, Bruder
Thobias, auch wenn Ihr das immer wieder zu vergessen
scheint.«
»Warum sprecht Ihr nicht offen?«, fragte Thobias höhnisch.
»Wir sind allein. Niemand hört uns zu. Niemand wird erfahren,
was hier gesprochen wird. Wenn es mein Leben ist, das Ihr
wollt, dann nehmt es!
Stellt mich vor Gericht. Bezichtigt mich der Ketzerei. Ich
werde alles zugeben. Tötet mich, wenn Ihr wollt, aber lasst die
unschuldigen Menschen hier am Leben!«
Der Inquisitor musterte ihn kühl, dann schüttelte er den Kopf,
seufzte hörbar und sagte: »Gebt Acht, dass ich Euch nicht beim
Wort nehme, mein Freund.«
»Es ist mir gleich, was mit mir geschieht. Mein Schicksal ist
doch ohnehin schon entschieden …«, schnappte Thobias. Seine
Stimme bebte vor Zorn.
Die Tür wurde aufgerissen und traf den jungen Inquisitor mit
solcher Wucht im Rücken, dass er haltlos nach vorne stolperte
und gestürzt wäre, hätte Thobias ihn nicht im letzten Moment
aufgefangen. Ein junger Soldat stürmte herein und erstarrte vor
Schreck, als er sah, was er angerichtet hatte. Er begann zu
zittern und fiel mit gesenktem Haupt auf die Knie - ein
Gebahren, das Andrej weit mehr über den Inquisitor verriet als
alles, was er bisher gesehen und gehört hatte.’ »Verzeiht, Herr«,
stammelte er. »Ich wusste nicht, dass …«
Der Inquisitor brachte ihn mit einer herrischen Geste zum
Verstummen.
»Schon gut«, sagte er. »Was ist los? Warum stürmst du
einfach so hier herein?«
»Der Heide, Herr!«, antwortete der Soldat. Andrejs Herz
machte einen schmerzhaften Sprung. »Der Mohr! Wir haben
ihn gefangen!«
Nicht nur Andrej erschrak bis ins Mark. Auch Vater Benedikt
fuhr sichtbar zusammen, und Bruder Thobias wurde
kreidebleich und tauschte einen raschen Blick mit Benedikt, der
dem Inquisitor aber offensichtlich entging.
»Ihr habt ihn gefangen?«, vergewisserte der sich un-gläubig.
»Wo? Wo ist er?«
»Er war auf dem Weg zum Kloster«, antwortete der Soldat.
»Er hat zwei von uns erschlagen und drei weitere verletzt, bevor
wir ihn überwältigen konnten. Sie bringen ihn gerade her!«
»Lebt er?«, fragte Thobias.
»Ja«, bestätigte der Soldat. »Wir haben ihn gefesselt. Die
anderen bringen ihn her. Ich bin vorausgeeilt, um Euch
Bescheid zu geben. Er wird in einer halben Stunde hier
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