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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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denkt.
    Und in der hinteren Stube waren Mama
    Coupeau und sie zutiefst betrübt und rechneten
    aus, daß sie mindestens zwanzig Francs
    brauchten. Wo sollte man sie hernehmen, diese
    vier Hundertsousstücke? Mama Coupeau, die
    früher einer kleinen Schauspielerin vom
    Théâtre des Batignolles den Haushalt besorgt
    hatte, sprach als erste vom Leihhaus. Gervaise
    lachte erleichtert auf. War sie aber dumm!
    Daran hatte sie nicht mehr gedacht. Rasch
    legte sie ihr schwarzes Seidenkleid in einer
    Serviette zusammen, die sie mit Nadeln
    zusteckte. Dann verbarg sie selber das Bündel
    unter Mama Coupeaus Schürze, wobei sie ihr
    einschärfte, es recht flach auf dem Bauch zu
    halten wegen der Nachbarn, die es nicht zu
    wissen brauchten; und sie kam an die Tür,
    spähte hinaus, um zu sehen, ob niemand der
    alten Frau nachging. Aber diese war noch
    nicht vor dem Kohlenhändler, als sie sie
    zurückrief.
    »Mama! Mama!«
    Sie ließ sie in den Laden zurückkommen, zog
    ihren Trauring vom Finger, und sagte dabei:
    »Da, tun Sie das dazu. Da kriegen wir noch
    mehr.«
    Und als Mama Coupeau ihr fünfundzwanzig
    Francs zurückbrachte, tanzte sie vor Freude
    umher. Sie ging noch sechs Flaschen
    originalabgefüllten Wein mehr bestellen, der
    zum Braten getrunken werden sollte. Die
    Lorilleux würden an die Wand gedrückt
    werden.
    Seit vierzehn Tagen war dies der Traum der
    Coupeaus: die Lorilleux an die Wand zu
    drücken. Schlossen sich denn diese
    Duckmäuser, der Mann und die Frau –
    wirklich ein feines Paar –, nicht ein, wenn sie
    einen guten Bissen aßen, als ob sie ihn
    gestohlen hätten? Ja, sie hängten das Fenster
    mit einer Decke zu, damit man das Licht nicht
    sehe und annehme, sie schliefen. Natürlich
    hielt das die Leute davon ab, hinaufzugehen.
    Sie schmausten allein, sie schlugen sich in
    aller Eile den Wanst voll, ohne ein lautes Wort
    fallen zu lassen. Am nächsten Tag hüteten sie
    sich sogar, die Knochen auf den Müll zu
    werfen, weil man dann erfahren hätte, was sie
    gegessen hatten; Frau Lorilleux ging bis ans
    Ende der Straße und schmiß sie in einen Gully;
    eines Morgens hatte Gervaise sie dabei
    überrascht, wie sie dort ihren Korb voll
    Austernschalen ausschüttete. O nein, diese
    Knicker waren gewiß nicht sehr freigebig, und
    alle diese Schliche rührten von ihrer Sucht her,
    arm erscheinen zu wollen. Na schön, man
    würde ihnen eine Lektion erteilen, man würde
    ihnen beweisen, daß man nicht knauserig war.
    Wenn sie gekonnt hätte, so hätte Gervaise den
    Tisch quer über die Straße gestellt, bloß um
    jeden Vorübergehenden einzuladen. Das Geld
    ist ja nicht zum Verschimmeln erfunden
    worden, nicht wahr? Hübsch sieht es aus,
    wenn es ganz neu in der Sonne blinkt. Sie
    hatte nun so wenig Ähnlichkeit mit den
    Lorilleux, daß sie sich an den Tagen, da sie
    zwanzig Sous besaß, so anstellte, daß man
    denken mußte, sie besäße vierzig.
    Von drei Uhr an sprachen Mama Coupeau und
    Gervaise beim Decken des Tisches von den
    Lorilleux. Im Schaufenster hatten sie große
    Vorhänge aufgehängt; da es aber warm war,
    blieb die Tür offen, die ganze Straße ging an
    dem Tisch vorüber. Die beiden Frauen stellten
    keine Karaffe, keine Flasche, kein Salzfäßchen
    hin, ohne danach zu trachten, dabei eine für
    die Lorilleux ärgerliche Absicht mit einfließen
    zu lassen. Sie hatten ihnen solche Plätze
    gegeben, daß sie die prächtige Ausdehnung
    der gedeckten Tafel sehen konnten, und sie
    behielten das schöne Geschirr für sie zurück,
    wohl wissend, daß ihnen die Porzellanteller
    einen Schlag versetzen würden.
    »Nein, nein, Mama«, rief Gervaise, »geben Sie
    ihnen nicht diese Servietten da! Ich habe zwei
    aus Damast.«
    »Na«, murmelte die alte Frau, »da werden sie
    platzen, das steht fest.«
    Und sie lächelten sich an, zu beiden Seiten
    dieser großen weißen Tafel stehend, deren
    vierzehn ausgerichtete Gedecke sie ganz
    stolzgeschwellt machten. Das schuf gleichsam
    eine Kapelle mitten im Laden.
    »Warum sind sie auch so schoflig!« meinte
    Gervaise. »Wissen Sie, letzten Monat haben
    sie gelogen, als die Frau überall erzählt hat, sie
    hätte beim Zurückbringen der Arbeit ein
    Stückchen goldene Kette verloren. Wahrhaftig,
    als ob die jemals was verliert! – Das war bloß
    so eine Art von ihr, herumzu jammern und
    Ihnen Ihre hundert Sous nicht zu geben.«
    »Bis jetzt habe ich sie erst zweimal gesehen,
    meine hundert Sous«, sagte Mama Coupeau.
    »Wollen Sie wetten? Nächsten Monat

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