Der Todschlaeger
schmutzig.
Sie sehen ja, es ist alles fertig. Da ist nur noch
die Suppe ...«
Da machte man es sich bequem. Die Damen
legten ihre Schals und Hauben auf das Bett,
steckten dann ihre Röcke mit Nadeln hoch, um
sie nicht zu beschmutzen. Boche, der seine
Frau zurückgeschickt hatte, damit sie bis zur
Stunde des Abendessens die Conciergeloge
hüte, drängte Clémence bereits in die Ecke bei
der Maschine, und er fragte sie, ob sie kitzlig
sei; und Clémence keuchte, kugelte sich,
wobei sie sich zusammenkauerte und ihre
Brüste das Mieder zum Bersten brachten, denn
der bloße Gedanke ans Kitzeln ließ überall
einen Schauer über sie hinlaufen. Die anderen
Damen waren soeben, um die Köchinnen nicht
zu stören, ebenfalls in den Laden
hinübergegangen, wo sie dem Tisch gegenüber
an den Wänden stehenblieben; da aber die
Unterhaltung durch die offene Tür
weitergeführt wurde und man einander nicht
verstehen konnte, kehrten sie alle Augenblicke
nach hinten zurück und fielen ein in den Raum
mit jähem Stimmengeschmetter, umringten
Gervaise, die, ihren dampfenden Löffel in der
Faust, ihnen antwortete und dabei die Zeit
vergaß. Man lachte und ließ starke Sachen
vom Stapel. Als Virginie sagte, sie habe seit
zwei Tagen nichts mehr gegessen, um in ihrem
Bauch ein leeres Loch zu machen, erzählte
Clémence, dieser Schmutzfink, noch etwas
Tolleres: sie habe sich ausgehöhlt, indem sie
am Morgen ein Klistier genommen habe wie
die Engländer. Da gab Boche ein Mittel zur
sofortigen Verdauung an, das darin bestand,
sich nach jedem Gericht zwischen eine Tür zu
klemmen; das sei ebenfalls bei den Engländern
üblich, das ermögliche, zwölf Stunden
hintereinander zu essen, ohne sich den Magen
zu überanstrengen.
Nicht wahr, die Höflichkeit verlange, daß man
esse, wenn man zum Diner eingeladen sei.
Kalb und Schwein und Gans würden ja nicht
für die Katzen aufgetragen. Oh, die Meisterin
könne unbesorgt sein: man werde ihr das so
sauber wegputzen, daß sie am nächsten Tage
nicht einmal ihr Geschirr abzuwaschen
brauche.
Und die Gesellschaft schien sich Appetit zu
machen, indem sie über den Pfannen und dem
Röstapparat herumschnüffelte. Die Damen
führten sich schließlich wie die jungen
Mädchen auf; sie spielten Schubsen, sie liefen
von einem Raum in den anderen, wobei sie
den Fußboden zum Schwanken brachten, mit
ihren Unterröcken die Küchengerüche
aufrührten und verstärkten, und das alles in
einem ohrenbetäubenden Lärm, in dem sich
das Gelächter mit dem Geräusch von Mama
Coupeaus Hackmessers vermischte, die Speck
in Würfel schnitt.
Goujet stellte sich gerade in dem Augenblick
ein, als alle zum Ulk schreiend umherhüpften.
Verschüchtert wagte er nicht einzutreten mit
einem großen weißen Rosenstock in den
Armen, einer prächtigen Pflanze, deren Stamm
bis zu seinem Gesicht emporstieg und Blüten
in seinen gelben Bart mengte. Gervaise lief auf
ihn zu, die Wangen vom Feuer der Herde
erhitzt. Aber er wußte nicht, wie er sich seines
Blumentopfes entledigen sollte; und als sie
ihm den aus den Händen genommen hatte,
stotterte er, weil er nicht wagte, sie zu küssen.
Sie mußte sich emporrecken, die Wange an
seine Lippen legen; er war sogar so verwirrt,
daß er sie aufs Auge küßte, und zwar so derb,
als wolle er es ihr ausschlagen. Beide
verharrten zitternd.
»Oh, Herr Goujet, der ist zu schön!« sagte sie
und stellte den Rosenstock neben die anderen
Blumen, die er mit den ganzen Federbusch
seines Laubwerkes überragte.
»Nicht doch, nicht doch«, sagte er immer
wieder, ohne daß ihm etwas anderes einfiel.
Und als er einen tiefen Seufzer ausgestoßen,
sich ein wenig beruhigt hatte, richtete er aus,
man brauche nicht auf seine Mutter zu
rechnen, sie habe ihr Ischias. Gervaise war
untröstlich; sie sprach davon, ein Stück Gans
beiseite zu legen, denn sie lege unbedingt Wert
darauf, daß Frau Goujet etwas von dem Tier
esse.
Mittlerweile wurde niemand mehr erwartet.
Coupeau mußte hier im Viertel mit Poisson
herumbummeln, den er nach dem Mittagessen
von zu Hause abgeholt hatte; sie würden wohl
bald heimkommen, sie hatten versprochen,
pünktlich um sechs Uhr dazusein. Als die
Suppe fast gar war, da rief Gervaise Frau Lerat
und sagte, ihr scheine der Augenblick
gekommen, hinaufzugehen und die Lorilleux
zu holen. Sogleich wurde Frau Lerat sehr
ernst: sie hatte nämlich die ganze Verhandlung
geführt und zwischen den beiden
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