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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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schmutzig.
    Sie sehen ja, es ist alles fertig. Da ist nur noch
    die Suppe ...«
    Da machte man es sich bequem. Die Damen
    legten ihre Schals und Hauben auf das Bett,
    steckten dann ihre Röcke mit Nadeln hoch, um
    sie nicht zu beschmutzen. Boche, der seine
    Frau zurückgeschickt hatte, damit sie bis zur
    Stunde des Abendessens die Conciergeloge
    hüte, drängte Clémence bereits in die Ecke bei
    der Maschine, und er fragte sie, ob sie kitzlig
    sei; und Clémence keuchte, kugelte sich,
    wobei sie sich zusammenkauerte und ihre
    Brüste das Mieder zum Bersten brachten, denn
    der bloße Gedanke ans Kitzeln ließ überall
    einen Schauer über sie hinlaufen. Die anderen
    Damen waren soeben, um die Köchinnen nicht
    zu stören, ebenfalls in den Laden
    hinübergegangen, wo sie dem Tisch gegenüber
    an den Wänden stehenblieben; da aber die
    Unterhaltung durch die offene Tür
    weitergeführt wurde und man einander nicht
    verstehen konnte, kehrten sie alle Augenblicke
    nach hinten zurück und fielen ein in den Raum
    mit jähem Stimmengeschmetter, umringten
    Gervaise, die, ihren dampfenden Löffel in der
    Faust, ihnen antwortete und dabei die Zeit
    vergaß. Man lachte und ließ starke Sachen
    vom Stapel. Als Virginie sagte, sie habe seit
    zwei Tagen nichts mehr gegessen, um in ihrem
    Bauch ein leeres Loch zu machen, erzählte
    Clémence, dieser Schmutzfink, noch etwas
    Tolleres: sie habe sich ausgehöhlt, indem sie
    am Morgen ein Klistier genommen habe wie
    die Engländer. Da gab Boche ein Mittel zur
    sofortigen Verdauung an, das darin bestand,
    sich nach jedem Gericht zwischen eine Tür zu
    klemmen; das sei ebenfalls bei den Engländern
    üblich, das ermögliche, zwölf Stunden
    hintereinander zu essen, ohne sich den Magen
    zu überanstrengen.
    Nicht wahr, die Höflichkeit verlange, daß man
    esse, wenn man zum Diner eingeladen sei.
    Kalb und Schwein und Gans würden ja nicht
    für die Katzen aufgetragen. Oh, die Meisterin
    könne unbesorgt sein: man werde ihr das so
    sauber wegputzen, daß sie am nächsten Tage
    nicht einmal ihr Geschirr abzuwaschen
    brauche.
    Und die Gesellschaft schien sich Appetit zu
    machen, indem sie über den Pfannen und dem
    Röstapparat herumschnüffelte. Die Damen
    führten sich schließlich wie die jungen
    Mädchen auf; sie spielten Schubsen, sie liefen
    von einem Raum in den anderen, wobei sie
    den Fußboden zum Schwanken brachten, mit
    ihren Unterröcken die Küchengerüche
    aufrührten und verstärkten, und das alles in
    einem ohrenbetäubenden Lärm, in dem sich
    das Gelächter mit dem Geräusch von Mama
    Coupeaus Hackmessers vermischte, die Speck
    in Würfel schnitt.
    Goujet stellte sich gerade in dem Augenblick
    ein, als alle zum Ulk schreiend umherhüpften.
    Verschüchtert wagte er nicht einzutreten mit
    einem großen weißen Rosenstock in den
    Armen, einer prächtigen Pflanze, deren Stamm
    bis zu seinem Gesicht emporstieg und Blüten
    in seinen gelben Bart mengte. Gervaise lief auf
    ihn zu, die Wangen vom Feuer der Herde
    erhitzt. Aber er wußte nicht, wie er sich seines
    Blumentopfes entledigen sollte; und als sie
    ihm den aus den Händen genommen hatte,
    stotterte er, weil er nicht wagte, sie zu küssen.
    Sie mußte sich emporrecken, die Wange an
    seine Lippen legen; er war sogar so verwirrt,
    daß er sie aufs Auge küßte, und zwar so derb,
    als wolle er es ihr ausschlagen. Beide
    verharrten zitternd.
    »Oh, Herr Goujet, der ist zu schön!« sagte sie
    und stellte den Rosenstock neben die anderen
    Blumen, die er mit den ganzen Federbusch
    seines Laubwerkes überragte.
    »Nicht doch, nicht doch«, sagte er immer
    wieder, ohne daß ihm etwas anderes einfiel.
    Und als er einen tiefen Seufzer ausgestoßen,
    sich ein wenig beruhigt hatte, richtete er aus,
    man brauche nicht auf seine Mutter zu
    rechnen, sie habe ihr Ischias. Gervaise war
    untröstlich; sie sprach davon, ein Stück Gans
    beiseite zu legen, denn sie lege unbedingt Wert
    darauf, daß Frau Goujet etwas von dem Tier
    esse.
    Mittlerweile wurde niemand mehr erwartet.
    Coupeau mußte hier im Viertel mit Poisson
    herumbummeln, den er nach dem Mittagessen
    von zu Hause abgeholt hatte; sie würden wohl
    bald heimkommen, sie hatten versprochen,
    pünktlich um sechs Uhr dazusein. Als die
    Suppe fast gar war, da rief Gervaise Frau Lerat
    und sagte, ihr scheine der Augenblick
    gekommen, hinaufzugehen und die Lorilleux
    zu holen. Sogleich wurde Frau Lerat sehr
    ernst: sie hatte nämlich die ganze Verhandlung
    geführt und zwischen den beiden

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