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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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aufzunehmen. »Sie
    bringen mich zum Plaudern, und bei der
    Meisterin muß man auf mich warten ... Lassen
    Sie es gut sein, Sie werden schon eine andere
    finden, Herr Coupeau, die hübscher ist als ich
    und die nicht zwei Rangen durchzuschleppen
    hat.«
    Er sah nach der vom Spiegel eingefaßten
    Wanduhr. Er bewog sie, sich wieder
    hinzusetzen, indem er rief:
    »Warten Sie doch! Es ist erst fünf nach halb
    zwölf ... Ich habe noch fünfundzwanzig
    Minuten Zeit ... Sie befürchten doch nicht, daß
    ich Dummheiten machender Tisch steht ja
    zwischen uns ... Ich bin Ihnen also so zuwider,
    daß Sie nicht mal einen kleinen Plausch mit
    mir machen wollen?«
    Sie setzte ihren Korb wieder ab, um nicht
    ungefällig zu ihm zu sein, und sie redeten wie
    gute Freunde miteinander. Sie hatte gegessen,
    bevor sie ihre Wäsche austragen ging; er hatte
    sich an diesem Tage beeilt, seine Suppe und
    sein Rindfleisch hinunterzuschlingen, um sie
    abzupassen. Während Gervaise freundlich
    antwortete, schaute sie durch die Scheiben
    zwischen den Gläsern mit in Branntwein
    eingelegtem Obst auf das Treiben der Straße,
    wo sich wegen der Mittagszeit eine
    ungewöhnliche, erdrückende Menschenmenge
    drängte.
    Auf den beiden Bürgersteigen in der engen
    Häuserschlucht gab es ein Hasten von
    Schritten, schlenkernde Arme und ein endloses
    Anrempeln mit den Ellbogen. Die Nachzügler,
    bei der Arbeit aufgehaltene Arbeiter mit vor
    Hunger mürrischen Mienen, überquerten in
    langen Schritten den Fahrdamm und traten
    gegenüber bei einem Bäcker ein; und wenn sie
    mit einem Pfundbrot unter dem Arm wieder
    auftauchten, gingen sie drei Türen weiter ins
    »Veau à deux têtes« um ein Stammgericht zu
    sechs Sous zu essen. Neben dem Bäcker war
    auch eine ObstundGemüseHändlerin, die
    Pommes frites und mit Petersilie gekochte
    Miesmuscheln verkaufte; ununterbrochen
    vorüberziehende Arbeiterinnen in langen
    Schürzen trugen Tüten mit Kartoffeln und
    Miesmuscheln in Tassen fort. Andere, hübsche
    Mädchen mit bloßem Kopf und zartem
    Aussehen, kauften Bündel Radieschen. Als
    sich Gervaise vorbeugte, gewahrte sie noch
    einen Schweinefleischladen, der voller Leute
    war und aus dem Kinder herauskamen, die ein
    paniertes Kotelett, ein Würstchen oder ein
    Stück ganz warmer Blutwurst, in fettiges
    Papier gewickelt, in der Hand hielten. Längs
    des Fahrdamms, der selbst bei schönem Wetter
    mit schwarzem Schmutz beschmiert war,
    verließen indessen im Füßetrappeln der sich
    vorwärstbewegenden Menge einige Arbeiter
    bereits die Winkelkneipen, gingen truppweise
    die Straße hinab, schlendernd und sich mit der
    flachen Hand auf die Schenkel schlagend,
    schwerfällig vom Essen, ruhig und langsam
    inmitten des Gestoßes des Volksgewühls.
    An der Tür des »Totschlägers« hatte sich eine
    Gruppe gebildet.
    »Hör mal, RöstfleischBibi, gibst du eine
    Runde Sprit aus?« fragte eine heisere Stimme.
    Fünf Arbeiter traten ein und blieben stehen.
    »Oh, Vater Colombe, dieser Gauner!« fuhr die
    Stimme fort.
    »Wissen Sie, wir brauchen alten Schnaps, und
    keine Nußschalen, sondern richtige Gläser!«
    Friedlich bediente Vater Colombe. Eine
    weitere Gesellschaft von drei Arbeitern traf
    ein. Nach und nach stauten sich die Kittel an
    der Ecke des Bürgersteigs, machten dort kurz
    halt und drängten sich schließlich zwischen
    den beiden vom Staub grauen
    Oleanderbäumen hindurch in den Raum.
    »Sie sind dumm! Sie denken nur an
    Schweinereien!« sagte Gervaise zu Coupeau.
    »Freilich habe ich ihn geliebt ... Bloß nachdem
    er mich auf so widerwärtige Weise
    sitzengelassen hat ...«
    Sie sprachen von Lantier, Gervaise hatte ihn
    nicht wiedergesehen, sie glaubte, er lebe mit
    Virginies Schwester in La Glacière bei dem
    Freund, der eine Hutfabrik einrichten wollte.
    Übrigens denke sie kaum daran, ihm
    nachzulaufen. Zuerst habe ihr das sehr weh
    getan, sie habe sogar ins Wasser gehen wollen,
    aber jetzt sei sie zur Vernunft gekommen, alles
    stehe zum besten. Vielleicht hätte sie mit
    Lantier die Kleinen nie großziehen können, so
    viel Geld bringe er durch. Er könne kommen
    und Claude und Etienne küssen, sie würde ihn
    nicht hinausschmeißen. Nur, was sie angehe,
    so könne man sie eher in Stücke hacken, als
    daß sie sich auch nur mit den Fingerspitzen
    anrühren lasse. Und sie sagte dies alles als eine
    resolute Frau, deren Lebensplan genau
    feststeht, während Coupeau, der sein
    Verlangen, sie zu kriegen, nicht aufgab,
    scherzte, alles in den Dreck zog

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