Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
Straße entlangstreifte, ganz verblichen und
    verschossen war. In der Ferne ertönten
    Fabrikglocken; und die Arbeiter beeilten sich
    nicht, zündeten ihre Pfeifen wieder an;
    nachdem sie sich mit krummem Rücken von
    einer Weinschenke zur anderen etwas
    zugerufen hatten, entschlossen sie sich dann,
    die Füße nachschleppend, wieder den Weg zur
    Werkstatt einzuschlagen.
    Gervaise machte es Spaß, drei Arbeitern
    nachzublicken, einem großen und zwei
    kleinen, die sich nun alle zehn Schritte
    umdrehten; schließlich gingen sie die Straße
    hinab und kamen geradeswegs auf Vater
    Colombes »Assommoir«, auf den
    »Totschläger«, zu.
    »Na«, murmelte sie, »die drei da haben die
    Arbeit bestimmt nicht erfunden!«
    »Aha«, sagte Coupeau, »den Großen kenne
    ich, das ist MeineBotten, ein Kumpel von
    mir.«
    Der »Totschläger« hatte sich gefüllt. Es wurde
    sehr laut mit schallenden Stimmen gesprochen,
    die das vor Heiserkeit schleimige Gemurmel
    zerrissen. Hin und wieder brachten
    Faustschläge auf den Schanktisch die Gläser
    zum Klirren. Die Zecher standen alle, die
    Hände über dem Bauch verschränkt oder
    hinter den Rücken gelegt, und bildeten dicht
    aneinandergedrängt kleine Gruppen. An den
    Tonnen standen Ansammlungen, die eine
    Viertelstunde warten mußten, bevor sie ihre
    Lagen bei Vater Colombe bestellen konnten.
    »Was! Da ist ja dieser feine Pinkel, der
    Schwarzbeersaftjung!« rief MeineBotten und
    versetzte Coupeau einen derben Schlag auf die
    Schulter. »Ein reizender Herr, der Zigaretten
    raucht und Wäsche anhat! – Man will wohl
    seiner Bekannten imponieren und spendiert ihr
    was Süßes!«
    »He! Öde mich nicht an!« antwortete Coupeau
    sehr verärgert. Aber der andere grinste.
    »Schon gut! Wir sind im Bilde, alter Freund ...
    Flegel sind eben Flegel!« Er drehte ihm den
    Rücken zu, nachdem er Gervaise furchtbar
    angeglotzt hatte.
    Diese war ein wenig erschrocken
    zurückgewichen. Der Pfeifenrauch, der starke
    Geruch all dieser Männer stiegen in die
    alkoholgeschwängerte Luft; und sie erstickte
    fast, weil ein leichtes Husten sie befiel.
    »Oh, das Trinken ist doch häßlich!« sagte sie
    halblaut. Und sie erzählte, sie habe früher in
    Plassans mit ihrer Mutter Anisette getrunken.
    Aber eines Tages sei sie beinahe daran
    gestorben, und das habe ihr so was verekelt;
    sie könne keinen Likör mehr sehen. »Da,
    sehen Sie mal«, fügte sie hinzu und zeigte auf
    ihr Glas, »ich habe meine Pflaume gegessen,
    den Saft aber lasse ich stehen, weil mir davon
    übel werden würde.«
    Auch Coupeau begriff nicht, daß man ganze
    Gläser voll Schnaps hintergießen konnte. Hier
    und da mal eine Pflaume, das sei nicht
    schlecht. Was den Sprit angehe, den Absinth
    und die anderen Schweinereien, na, danke
    schön! Das brauche er nicht. Die Kumpels
    mochten ihn noch so sehr aufziehen, er bleibe
    an der Tür stehen, wenn diese Saufbrüder in
    die Stampe gingen. Papa Coupeau, der
    Bauklempner wie er gewesen sei, habe sich
    den Kopf auf dem Pflaster der Rue Coquenard
    zerschmettert, als er an einem Sauftag von der
    Dachrinne des Hauses Nr. 25 abstürzte; und
    diese Erinnerung habe sie in der Familie alle
    besonnen gemacht. Wenn er durch die Rue
    Coquenard gehe und die Stelle sehe, dann
    würde er lieber das Wasser aus dem Rinnstein
    trinken, als einen Schoppen gratis in der
    Weinschenke hinterzustürzen. Er schloß mit
    folgendem Satz: »In unserem Handwerk muß
    man feste Beine haben.«
    Gervaise hatte wieder ihren Korb genommen.
    Sie erhob sich jedoch nicht und hielt ihn, mit
    verlorenem Blick träumend, auf ihren Knien,
    als hätten die Worte des jungen Arbeiters ferne
    Gedanken an das Dasein in ihr wachgerufen.
    Und langsam sagte sie noch ohne sichtlichen
    Übergang:
    »Mein Gott, ich bin nicht ehrgeizig, ich
    verlange ja nicht viel ... Mein Ideal, das wäre,
    in Ruhe arbeiten, immer Brot zu essen haben
    und eine etwas saubere Bude zum Schlafen,
    wissen Sie, ein Bett, einen Tisch und zwei
    Stühle, nicht mehr ... Ach, ich möchte auch
    meine Kinder großziehen und gute Menschen
    aus ihnen machen, wenn das möglich wäre ...
    Ich habe noch ein Ideal, und das wäre, nicht
    geschlagen werden, wenn ich mich je wieder
    mit jemandem zusammentue. Nein, geschlagen
    werden, das würde mir nicht gefallen ... Und
    das ist alles, sehen Sie, das ist alles ...« Sie
    suchte, erforschte ihr Verlangen und fand
    nichts Ernsthaftes mehr, das sie verlockte.
    Nachdem sie gezögert hatte, fuhr sie allerdings
    fort: »Ja,

Weitere Kostenlose Bücher