Der Todschlaeger
Straße entlangstreifte, ganz verblichen und
verschossen war. In der Ferne ertönten
Fabrikglocken; und die Arbeiter beeilten sich
nicht, zündeten ihre Pfeifen wieder an;
nachdem sie sich mit krummem Rücken von
einer Weinschenke zur anderen etwas
zugerufen hatten, entschlossen sie sich dann,
die Füße nachschleppend, wieder den Weg zur
Werkstatt einzuschlagen.
Gervaise machte es Spaß, drei Arbeitern
nachzublicken, einem großen und zwei
kleinen, die sich nun alle zehn Schritte
umdrehten; schließlich gingen sie die Straße
hinab und kamen geradeswegs auf Vater
Colombes »Assommoir«, auf den
»Totschläger«, zu.
»Na«, murmelte sie, »die drei da haben die
Arbeit bestimmt nicht erfunden!«
»Aha«, sagte Coupeau, »den Großen kenne
ich, das ist MeineBotten, ein Kumpel von
mir.«
Der »Totschläger« hatte sich gefüllt. Es wurde
sehr laut mit schallenden Stimmen gesprochen,
die das vor Heiserkeit schleimige Gemurmel
zerrissen. Hin und wieder brachten
Faustschläge auf den Schanktisch die Gläser
zum Klirren. Die Zecher standen alle, die
Hände über dem Bauch verschränkt oder
hinter den Rücken gelegt, und bildeten dicht
aneinandergedrängt kleine Gruppen. An den
Tonnen standen Ansammlungen, die eine
Viertelstunde warten mußten, bevor sie ihre
Lagen bei Vater Colombe bestellen konnten.
»Was! Da ist ja dieser feine Pinkel, der
Schwarzbeersaftjung!« rief MeineBotten und
versetzte Coupeau einen derben Schlag auf die
Schulter. »Ein reizender Herr, der Zigaretten
raucht und Wäsche anhat! – Man will wohl
seiner Bekannten imponieren und spendiert ihr
was Süßes!«
»He! Öde mich nicht an!« antwortete Coupeau
sehr verärgert. Aber der andere grinste.
»Schon gut! Wir sind im Bilde, alter Freund ...
Flegel sind eben Flegel!« Er drehte ihm den
Rücken zu, nachdem er Gervaise furchtbar
angeglotzt hatte.
Diese war ein wenig erschrocken
zurückgewichen. Der Pfeifenrauch, der starke
Geruch all dieser Männer stiegen in die
alkoholgeschwängerte Luft; und sie erstickte
fast, weil ein leichtes Husten sie befiel.
»Oh, das Trinken ist doch häßlich!« sagte sie
halblaut. Und sie erzählte, sie habe früher in
Plassans mit ihrer Mutter Anisette getrunken.
Aber eines Tages sei sie beinahe daran
gestorben, und das habe ihr so was verekelt;
sie könne keinen Likör mehr sehen. »Da,
sehen Sie mal«, fügte sie hinzu und zeigte auf
ihr Glas, »ich habe meine Pflaume gegessen,
den Saft aber lasse ich stehen, weil mir davon
übel werden würde.«
Auch Coupeau begriff nicht, daß man ganze
Gläser voll Schnaps hintergießen konnte. Hier
und da mal eine Pflaume, das sei nicht
schlecht. Was den Sprit angehe, den Absinth
und die anderen Schweinereien, na, danke
schön! Das brauche er nicht. Die Kumpels
mochten ihn noch so sehr aufziehen, er bleibe
an der Tür stehen, wenn diese Saufbrüder in
die Stampe gingen. Papa Coupeau, der
Bauklempner wie er gewesen sei, habe sich
den Kopf auf dem Pflaster der Rue Coquenard
zerschmettert, als er an einem Sauftag von der
Dachrinne des Hauses Nr. 25 abstürzte; und
diese Erinnerung habe sie in der Familie alle
besonnen gemacht. Wenn er durch die Rue
Coquenard gehe und die Stelle sehe, dann
würde er lieber das Wasser aus dem Rinnstein
trinken, als einen Schoppen gratis in der
Weinschenke hinterzustürzen. Er schloß mit
folgendem Satz: »In unserem Handwerk muß
man feste Beine haben.«
Gervaise hatte wieder ihren Korb genommen.
Sie erhob sich jedoch nicht und hielt ihn, mit
verlorenem Blick träumend, auf ihren Knien,
als hätten die Worte des jungen Arbeiters ferne
Gedanken an das Dasein in ihr wachgerufen.
Und langsam sagte sie noch ohne sichtlichen
Übergang:
»Mein Gott, ich bin nicht ehrgeizig, ich
verlange ja nicht viel ... Mein Ideal, das wäre,
in Ruhe arbeiten, immer Brot zu essen haben
und eine etwas saubere Bude zum Schlafen,
wissen Sie, ein Bett, einen Tisch und zwei
Stühle, nicht mehr ... Ach, ich möchte auch
meine Kinder großziehen und gute Menschen
aus ihnen machen, wenn das möglich wäre ...
Ich habe noch ein Ideal, und das wäre, nicht
geschlagen werden, wenn ich mich je wieder
mit jemandem zusammentue. Nein, geschlagen
werden, das würde mir nicht gefallen ... Und
das ist alles, sehen Sie, das ist alles ...« Sie
suchte, erforschte ihr Verlangen und fand
nichts Ernsthaftes mehr, das sie verlockte.
Nachdem sie gezögert hatte, fuhr sie allerdings
fort: »Ja,
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