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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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schließlich kann man noch das
    Verlangen haben, in seinem Bett zu sterben ...
    Wenn ich mich mein ganzes Leben abgeplackt
    habe, dann möchte ich gern in meinem Bett
    bei mir zu Hause sterben.« Und sie erhob sich.
    Coupeau, der ihre Wünsche lebhaft billigte,
    war schon aufgestanden, da er wegen der Zeit
    unruhig wurde. Aber sie gingen nicht sofort
    hinaus, sie verspürte die Neugier, nach hinten
    zu gehen und sich hinter der Eichenbarriere
    den großen Destillierapparat aus rotem Kupfer
    anzusehen, der unter dem hellen Glasdach des
    kleinen Hofes in Betrieb war; und der
    Bauklempner, der ihr gefolgt war, erklärte ihr,
    wie das funktionierte, wies mit dem Finger auf
    die verschiedenen Teile der Apparatur und
    zeigte ihr die riesige Retorte, aus der ein
    durchsichtiger dünner Alkoholstrahl herablief.
    Der Destillierapparat mit seinen seltsam
    geformten Vorlagen und seinen endlosen
    gewundenen Röhren wahrte ein finsteres
    Aussehen, nicht eine Dampf wölke entwich;
    man hörte kaum ein Schnaufen im Innern,
    kaum ein unterirdisches Rattern; es war
    gleichsam eine Nachtarbeit, die von einem
    düsteren, mächtigen und stummen Arbeiter am
    hellichten Tage verrichtet wurde.
    Inzwischen war MeineBotten in Begleitung
    seiner beiden Kumpel herbeigekommen und
    hatte sich mit den Ellbogen auf die Barrière
    gestützt, bis eine Ecke des Schanktisches frei
    werden würde. Er lachte wie eine
    schlechtgeschmierte Winde und schüttelte den
    Kopf, wobei er mit gerührten Augen die
    Besaufmaschine

    anstarrte.
    Himmeldonnerwetter! Die war in Ordnung! In
    diesem kupfernen Schmerbauch war genug,
    um sich acht Tage lang die Kehle frisch zu
    halten. Er hätte gewollt, daß man ihm das
    Ende des Kühlrohrs zwischen die Zähne lötete,
    damit er spüre, wie der noch warme Sprit ihn
    vollfüllte und ihm immerzu, immerzu wie ein
    Bächlein bis zu den Fersen hinabrinne.
    Wahrlich, er hätte sich nicht mehr von der
    Stelle gerührt, das hätte die Fingerhutgläser
    dieses Esels, des Vaters Colombe, tüchtig
    ersetzt! Die Kumpel grinsten und sagten,
    dieses Rindvieh, der Meine Botten, habe
    trotzdem einen erbärmlichen Bammel. Dumpf,
    ohne jede Flamme, ohne jede Heiterkeit im
    matten Widerschein seiner Kupferteile
    arbeitete der Destillierapparat weiter und ließ
    seinen Alkoholschweiß rinnen, gleich einer
    langsamen und beharrlichen Quelle, die mit
    der Zeit in die Gaststube einfallen, sich über
    die äußeren Boulevards ergießen und das
    riesige Loch Paris überfluten mußte.
    Da trat Gervaise, die ein Schauer überlief,
    zurück; und sie bemühte sich zu lächeln und
    murmelte:
    »Es ist dumm, mir wird kalt bei dieser
    Maschine ... Bei alkoholischen Getränken wird
    mir kalt ...« Dann kam sie wieder auf die
    Vorstellung vom vollkommenen Glück zu
    sprechen, die sie hegte: »Nicht wahr, das wäre
    doch viel besser: arbeiten, Brot zum Essen
    haben, ein eigenes Nest besitzen, seine Kinder
    großziehen, in seinem Bett sterben ...«
    »Und nicht geschlagen werden«, setzte
    Coupeau heiter hinzu. »Ich aber würde Sie
    nicht schlagen, wenn Sie einwilligten,
    Madame Gervaise ... Da besteht keine
    Befürchtung, ich trinke nie, außerdem liebe ich
    Sie zu sehr ... Na, auf heute abend, wir werden
    uns die Füßchen warm laufen.«
    Er hatte die Stimme gesenkt, er sprach dicht an
    ihrem Hals, während sie sich, ihren Korb vor
    sich haltend, mitten durch die Männer einen
    Weg bahnte. Aber noch immer schüttelte sie
    verneinend mehrmals den Kopf. Sie drehte
    sich jedoch um, lächelte ihm zu und schien
    glücklich zu wissen, daß er nicht trank. Sicher
    hätte sie ja zu ihm gesagt, wenn sie sich nicht
    geschworen hätte, sich nicht wieder mit einem
    Mann zusammenzutun. Endlich erreichten sie
    die Tür und traten hinaus.
    Hinter ihnen blieb der volle »Assommoir«, der
    »Totschläger«, zurück und blies den Lärm der
    heiseren Stimmen und den Schnapsgeruch der
    Spritlagen bis auf die Straße. Man hörte, wie
    MeineBotten Vater Colombe einen Gauner
    schimpfte und ihn beschuldigte, sein Glas nur
    halb vollgeschenkt zu haben. Er, er sei ein
    guter, prima und zuverlässiger Kerl. Ach,
    verflixt! Dem, Alten werde er was husten, er
    werde nicht in die Bude zurückkehren, er
    mache blau. Und er schlug seinen beiden
    Kumpeln vor, zum »Petit bonhomme qui
    tousse«10 zu gehen, einer Stampe an der
    Barrière SaintDenis, wo man ganz reinen
    Fusel zu trinken kriege.
    »Ah! Man atmet richtig auf«, sagte Gervaise
    auf dem Bürgersteig. »Also leben Sie

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