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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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auf
    die Straße werfen würde, da ein Unglück sie
    am Zahlen hindern sollte.
    Die verräucherte und mit schwarzen Möbeln
    angefüllte Conciergeloge war voller
    Feuchtigkeit und fahlen Kellerlichts. Am
    Fenster fiel die ganze Helligkeit auf den
    Arbeitstisch des Schneiders, auf dem ein alter
    Überrock, der gewendet werden sollte,
    herumlag, während Pauline, Boches Kleine,
    ein rothaariges Kind von vier Jahren, auf der
    Erde saß und artig zusah, wie ein Stück
    Kalbfleisch gebraten wurde, wobei der starke,
    aus der kleinen Pfanne aufsteigende
    Küchengeruch sie umspülte und entzückte.
    Herr Marescot reichte dem Bauklempner
    abermals die Hand, da sprach dieser von den
    Renovierungen und erinnerte ihn dabei an sein
    mündliches Versprechen, sich später darüber
    zu unterhalten. Aber der Hausbesitzer wurde
    ärgerlich; er habe sich zu nichts verpflichtet,
    im übrigen würden in einem Laden niemals
    Renovierungen ausgeführt. Er willigte jedoch
    ein, sich die Räumlichkeiten anzusehen, und
    die Coupeaus und Boche folgten ihm. Der
    Kleinkrämer hatte beim Auszug seine aus
    Regalen und Ladentischen bestehende
    Einrichtung mitgenommen. Der Laden, der
    ganz kahl war, zeigte seine schwarze Decke,
    seine abgeplatzten Wände, von denen die
    Fetzen einer alten gelben Tapete herabhingen.
    Dort in der widerhallenden Leere der Räume
    entspann

    sich

    eine

    grimmige
    Auseinandersetzung.
    Herr Marescot schrie, es sei Sache der
    Geschäftsleute, ihre Läden zu verschönern,
    denn schließlich verlange ein Geschäftsmann
    womöglich noch, daß überall Gold hinkomme,
    und er, der Hausbesitzer, könne kein Gold
    anbringen lassen. Dann erzählte er von seiner
    eigenen Einrichtung in der Rue de la Paix, für
    die er mehr als zwanzigtausend Francs
    ausgegeben habe. Gervaise wiederholte mit
    ihrer weiblichen Starrköpfigkeit immer wieder
    einen Einwand, der ihr unwiderlegbar
    erschien: eine Wohnung würde er tapezieren
    lassen, nicht wahr? Also, warum betrachte er
    dann den Laden nicht als Wohnung? Sie
    verlange nichts weiter von ihm, als daß er die
    Decke weißen und die Wände tapezieren lasse.
    Währenddessen blieb Röche undurchdringlich
    und würdevoll; er drehte sich um, sah in die
    Luft, ohne sich zu äußern. Sooft Coupeau ihm
    auch zuzwinkerte, er tat so, als wolle er seinen
    großen Einfluß auf den Hausbesitzer nicht
    mißbrauchen. Doch schließlich ließ er sich ein
    Mienenspiel entschlüpfen, ein leises, dünnes
    Lächeln, das von einem Kopfschütteln
    begleitet war. Eben gab Herr Marescot, der
    aufgebracht war und noch unglücklicher
    aussah und seine zehn Finger im Krampf eines
    Geizhalses spreizte, dem man sein Gold
    entreißt, Gervaise nach, versprach Decke und
    Tapete unter der Bedingung, daß sie die Hälfte
    zur Tapete zuzahle. Und er entfloh schnell,
    weil er nichts mehr hören wollte. Als Röche
    mit den Coupeaus allein war, klopfte er ihnen
    auf die Schultern, war sehr gesprächig. Das sei
    geschafft, was! Wäre er nicht gewesen, hätten
    sie ihre Tapete und ihre Decke nie gekriegt.
    Ob sie bemerkt hätten, wie ihn der
    Hausbesitzer fragend von der Seite angesehen
    und sich jäh entschlossen hätte, als er gesehen,
    daß er lächelte? Dann gestand er im Vertrauen,
    daß er der eigentliche Herr des Hauses sei: er
    entscheide über Kündigungen, vermiete, wenn
    die Leute ihm gefielen, kassiere die Mieten,
    die er oft vierzehn Tage in seiner Kommode
    aufbewahre.
    Abends erachteten es die Coupeaus für
    höflich, den Boches zwei Liter Wein zu
    schicken, um ihnen zu danken. So was
    verdiente ein Geschenk.
    Gleich am nächsten Montag machten sich die
    Arbeiter über den Laden her. Besonders der
    Kauf der Tapete wurde zu einer bedeutenden
    Angelegenheit. Gervaise wollte eine graue
    Tapete mit blauen Blumen haben, um die
    Wände hell und heiter zu machen. Boche bot
    ihr an, sie mitzunehmen; aussuchen sollte sie.
    Aber er hatte ausdrückliche Weisungen vom
    Hausbesitzer, er durfte den Preis von fünfzehn
    Sous pro Rolle nicht überschreiten. Eine
    Stunde blieben sie bei dem Händler. Immer
    wieder kam die Wäscherin auf eine sehr
    hübsche bemalte Leinwand zu achtzehn Sous
    zurück und war verzweifelt, weil sie die
    anderen Tapeten abscheulich fand. Schließlich
    gab der Concierge nach; er würde die Sache
    regeln und nötigenfalls eine Rolle mehr
    berechnen. Und auf dem Heimweg kaufte
    Gervaise Kuchen für Pauline. Sie mochte nicht
    zurückstehen; es lohnte sich, zu ihr nett zu
    sein.
    In vier Tagen sollte der

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