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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Laden fertig sein. Die
    Arbeiten dauerten drei Wochen. Zuerst war die
    Rede davon gewesen, den Anstrich lediglich
    abzuwaschen. Aber dieser ehemals dunkelrote
    Anstrich war so schmutzig und so traurig, daß
    sich Gervaise dazu hinreißen ließ, die ganze
    Vorderfront bellblau mit schmalen gelben
    Streifen neu streichen zu lassen. Nun dauerten
    die Renovierungen ewig. Coupeau, der noch
    immer nicht arbeitete, stellte sich gleich am
    Morgen ein, um nachzusehen, ob es
    voranging. Boche ließ den Überrock oder die
    Hose, an denen er die Knopflöcher
    ausbesserte, liegen und kam nun auch, um
    seine Leute zu beaufsichtigen. Und mit den
    Händen auf dem Rücken vor den Arbeitern
    stehend, verbrachten die beiden rauchend und
    spuckend den Tag damit, jeden Pinselstrich zu
    begutachten. Wegen eines Nagels, der
    herauszuziehen war, gab es endlose
    Überlegungen

    und

    unergründliche
    Träumereien. Die Maler, zwei gutmütige,
    verteufelt lange Kerle, verließen alle
    Augenblicke ihre Leitern, pflanzten sich
    ebenfalls in der Mitte des Ladens auf,
    mischten sich in die Erörterung ein, wobei sie
    stundenlang den Kopf schüttelten und ihre
    angefangene Arbeit betrachteten. Die Decke
    war ziemlich schnell getüncht. Das wurden
    Malerarbeiten, mit denen man beinahe nie
    fertig wurde. Es wollte nicht trocknen. Gegen
    neun Uhr erschienen die Maler mit ihren
    Farbtöpfen, stellten sie in eine Ecke, blickten
    sich kurz um, verschwanden dann, und man
    sah sie nicht mehr wieder. Sie waren
    frühstücken gegangen, oder aber sie hatten
    nebenan in der Rue Myrrha eine Kleinigkeit
    fertigmachen müssen. Manchmal nahm
    Coupeau die ganze Sippschaft mit, einen
    Schoppen Wein trinken, Boche, die Maler
    samt den Kumpels, die gerade vorbeikamen;
    das war wiederum ein vertaner Nachmittag.
    Gervaise machte sich heftige Sorgen. Plötzlich
    wurde alles in zwei Tagen fertig: der Anstrich
    überlackiert, die Tapete geklebt, der Dreck auf
    einen Kippkarren geworfen. Auf ihren Leitern
    pfeifend und singend, als wollten sie das ganze
    Viertel betäuben, hatten die Arbeiter das
    gleichsam spielend hingepfuscht.
    Der Umzug fand sofort statt. In den ersten
    Tagen empfand Gervaise eine kindliche
    Freude, wenn sie, von einer Besorgung
    heimkehrend, die Straße überquerte. Sie
    versäumte sich, lächelte ihrem Zuhause zu.
    Von weitem tauchte ihr Laden inmitten der
    schwarzen Reihe der anderen Vorderfronten
    ganz hell, mit frischer Heiterkeit auf, mit
    seinem zartblauen Ladenschild, auf das in
    großen gelben Buchstaben das Wort
    »Feinwäscherei« gemalt war. Im Schaufenster,
    das hinten von kleinen Musselingardinen
    abgeschlossen wurde und blau tapeziert war,
    um die weiße Wäsche zur Geltung zu bringen,
    lagen Männerhemden aus, hingen
    Frauenhauben, deren Bänder an
    Messingdrähten zu Schleifen gebunden waren.
    Und sie fand ihren Laden hübsch, so
    himmelblau. Und wenn man eintrat, war
    drinnen wiederum Blau. Die Tapete, die einer
    bemalten Leinwand im Pompadourstil43
    nachgebildet war, stellte ein Weinspalier dar,
    über das Winden hinliefen. Der Arbeitstisch,
    ein riesiger Tisch, der zwei Drittel des Raumes
    einnahm und auf dem eine dicke Decke lag,
    war mit einem Stück Kretonne mit großen
    bläulichen Ranken behängt, damit die Böcke
    verdeckt wurden. Gervaise setzte sich auf
    einen Hocker, schnaufte ein wenig vor
    Zufriedenheit, glücklich über diese schöne
    Sauberkeit, und ließ ihr neues Arbeitsgerät
    nicht aus den Augen. Ihr erster Blick aber galt
    stets ihrer Maschine, einem gußeisernen Ofen,
    auf dem zehn Bügeleisen zugleich heiß
    gemacht werden konnten, die auf schräg
    stehenden Platten rings um die Feuerstätte
    angeordnet waren. Sie kniete sich hin und sah
    nach, in der ständigen Angst, daß ihr kleiner
    Dümmling, das Lehrmädchen, das Gußeisen
    dadurch zum Bersten bringe, daß sie zuviel
    Koks hineinstopfte.
    Die Wohnung hinter dem Laden war sehr
    anständig. Die Coupeaus schliefen in der
    ersten Stube, in der gekocht und gegessen
    wurde; im Hintergrund führte eine Tür auf den
    Hof des Hauses. Nanas Bett stand in der Stube
    rechts, einem großen Nebengelaß, das sein
    Licht durch eine runde Luke dicht an der
    Decke bezog. Was Etienne anging, so teilte er
    die Stube links mit der schmutzigen Wäsche,
    von der immer riesige Haufen auf dem
    Fußboden herumlagen. Es war jedoch eine
    Unannehmlichkeit vorhanden, und die
    Coupeaus wollten sie zuerst nicht wahrhaben;
    aber die Wände pißten geradezu die Nässe aus,
    und von drei Uhr

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