Der tolle Nick
besorgen?«
Sir Nicholas blickte stirnrunzelnd in den Spiegel. »Ich möchte kein Risiko eingehen«, sagte er nach kurzer Überlegung. »Ich möchte nicht, daß die Leute Fragen stellen und Gerüchte aufkommen. Mylady wird mit mir bis Villanova reiten.« Er blickte aus dem Fenster in die rasch einfallende Dunkelheit. »Es ist dunkel genug für mein Unternehmen«, sagte er. »Findest du diesen Pfad sicher?«
»Ich habe alles im Kopf, Herr. Aber ich hätte gern gewußt, was Ihr vorhabt, Herr.«
Sir Nicholas erhob sich aus seinem Stuhl. Seine Augen blitzten. »Das wüßte ich auch recht gern, Joshua«, sagte er mit größter Offenheit.
Joshua schüttelte mißbilligend den Kopf. »So kann man an ein Unternehmen doch nicht herangehen! Wie könnt Ihr Eure Dame entführen, wenn Ihr nicht einmal einen Plan habt?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe allerlei Pläne, aber ich tappe vorläufig noch im dunkeln, ich muß noch ein bißchen herumhorchen. Vielleicht gelingt es mir heute, falls sich eine günstige Gelegenheit ergibt, vielleicht müssen wir auch noch ein bißchen warten. Die Pferde brauchen wir auf jeden Fall. Besorge zwei gesattelte Pferde, und erzähl den Leuten irgendein Märchen, das dir gerade einfällt.«
Joshua meinte im Hinausgehen: »Herr, gestattet mir, wenn ich sage, aber um mit Euch Schritt halten zu können, muß man schon auf Draht sein!«
Sir Nicholas fragte nicht, welches Lügenmärchen Joshua erzählt hatte, als er etwa zwanzig Minuten später wieder ins Zimmer trat. Er hatte zwei gute Pferde besorgt, und das war ihm genug. Sir Nicholas warf den Mantel um die Schultern und machte sich auf den Weg.
Bis zu dem Gehölz, das Joshua ausfindig gemacht hatte, war es nicht weit. Alle möglichen Ranken schlangen sich die niedrige, verfallene Mauer hinauf, die das Haus, das sie suchten, umgab. Die Mauer war einfach zu übersteigen. Die Pferde verbargen sie im Buschwerk, etwa hundert Meter vom Pfad entfernt. Sir Nicholas hielt sich an der Mauer fest und sprang hinüber. Joshua kletterte hinterher.
Nun standen sie hinter einer Eibenhecke, die einen gepflasterten Weg säumte. In die Hecke waren einige Öffnungen geschnitten, und durch eine dieser Offnungen gelangten sie in den Garten.
Vor ihnen ragte im Dunkel das Haus auf. Durch ein Fenster im untersten Geschoß strahlte Lampenschimmer, und auch in einem der oberen Räume brannte ein Licht. Entweder waren alle anderen Fensterläden geschlossen, oder es regte sich wirklich nichts.
»Bleib hier hinter der Hecke«, flüsterte Sir Nicholas. »Ich werde sehen, was sich ausfindig machen läßt.« Er glitt an Joshua vorbei und hatte den Garten durchquert, bevor sein Diener noch widersprechen konnte.
Joshua sah, wie Sir Nicholas sich dem Fenster näherte und dann kurze Zeit im Dunkel verschwand. Offenbar versuchte er zu ergründen, was sich hinter den geschlossenen Läden abspielte. Joshua schauderte und zog seinen Mantel fester um die Schultern. Hinter den geschlossenen Läden war kein Laut zu vernehmen und auch kein Lichtschein zu sehen. Das Haus war seltsam ruhig, doch war dieser Teil vielleicht unbewohnt. Sir Nicholas schlich die Hauswand entlang, bis er das geöffnete Fenster erreichte. Er drückte sich gegen die Mauer und blickte vorsichtig in das Hausinnere. Das Fenster war weit geöffnet, um die kühle Nachtluft einzulassen. Er sah einen sehr elegant eingerichteten Salon vor sich. In einem dem Fenster halb abgewandten Stuhl saß Doña Beatrice de Carvalho und las in einem in goldgeprägtes Leder gebundenen Buch.
Sir Nicholas betrachtete sie einige Augenblicke lang. Dann schwang er sich mit einem kleinen Achselzucken lautlos über das Fensterbrett.
Doña Beatrice gähnte über ihrem Buch. Plötzlich hörte sie ein Geräusch, das Scharren eines Degenknaufs an der Steinwand, und wandte den Kopf gegen das Fenster. Zum erstenmal erschrak sie wirklich und ließ ihr Buch fallen.
»Ich wünsche Euch einen ganz besonders guten Tag, Señora«, sagte Sir Nicholas höflich und trat eleganten Schrittes näher. Doña Beatrice hatte die Fassung wiedergewonnen. »Mein lieber Chevalier«, sagte sie langsam. »Oder soll ich sagen mein lieber Señor Beauvallet?«
»Konntet Ihr zweifeln?« fragte Sir Nicholas und schnitt eine Grimasse.
»Kaum«, sagte sie. Sie lehnte sich in ihren Stuhl zurück und blickte ihn ruhig an. »Ihr seid ein sehr kühner Mann, Señor. Glaubt mir, ich kann Euch gut leiden. Aber was habt Ihr Euch hier erhofft?«
»Um es ganz ehrlich zu sagen,
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