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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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durchgeschoben?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Hast du jemanden gesehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, verdammt. Sara war auf einmal weg.«
    Lunau nahm sein Handy und suchte eine Nummer im Adressbuch.
    »Was hast du vor?« Silvia war aufgesprungen und versuchte, Lunau das Telefon zu entreißen.
    »Ich rufe Balboni an.«
    »Den Kommissar? Keine Polizei, steht auf dem Zettel. Hast du das nicht gesehen?«
    »Das verlangt jeder Entführer.«
    »Das sind keine normalen Entführer. Das sind deine Niggerfreunde. Und sie werden Sara umbringen.«
    Lunau sah Mirko an. Dieser erwiderte den Blick, ernst, verängstigt, aber ohne Hass gegen Lunau. Er schien nur um Verständnis für seine Mutter zu bitten.
    »Mirko, kannst du mich einen Moment mit deiner Mama reden lassen, bitte?«
    Mirko nickte und verschwand ins Kinderzimmer.
    »Silvia, bitte lass uns vernünftig reden.«
    Sie schrie hysterisch: »Vernünftig? Weißt du, was du mich mal kannst mit deiner Vernunft? Hast du allen Ernstes von Vernunft geredet? Du, du … Ich hatte dich gewarnt, ich hatte dich um etwas gebeten. Du sollst deine Finger von dieser Geschichte lassen. Du sollst uns beschützen.«
    »Das habe ich versucht. Und ich werde alles tun, um Sara zu finden. Aber alleine bin ich machtlos. Ich weiß auch nicht, wo Joy steckt. Sie ist verschwunden.«
    Silvia sprang Lunau regelrecht an. Sie riss an seinem Hemdkragen und schrie, die Nasenspitze nur wenige Zentimeter von der seinen entfernt:
    »Sag, dass das nicht stimmt! Sag, dass das nicht stimmt!«
    In Lunaus Ohren klingelte es. Die gellende Stimme verursachte einen Schmerz in seinen Hirnlappen, der alle sonstigen Funktionen blockierte. Er musste sich beherrschen, dass er nicht einfach zurückschlug.
    »Wo ist Sara, wo ist sie?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wer hat sie entführt?«
    Lunau schwieg. Es gab nur eine Erklärung: Michael, Joys Zuhälter. Er musste irgendwie erfahren haben, dass das Mädchen bei Lunau gewesen war. Vermutlich hatte er sie in dem Apartment gesucht, hatte nach Hinweisen auf ihr Versteck gesucht. Und als er nichts gefunden hatte, hatte er sich Sara gegriffen. Aber woher wusste er von Joys Besuch am Meer?
    »Du weißt es. Sag’s mir. Sag’s mir sofort.«
    Sie schrie immer lauter, während Lunau ihre Handgelenke festhielt. Sie rangen miteinander.
    »Bitte«, sagte er ganz leise, hielt Silvias Arme fest, ihren Kopf, dann drückte er mit aller Gewalt ihren Oberkörper an sich. Dies hatte Erfolg. Silvias Arme fielen herab, der Kopf senkte sich, sie löste sich aus Lunaus Griff, warf sich aufs Sofa und zuckte nur noch konvulsivisch.

TEIL II
13
    Die Tage waren kürzer geworden. Es war halb neun und schon vollständig dunkel. Amanda sah auf die Uhr. In dreißig Minuten begann ihre Nachtschicht. Wie jeden Sonntag parkte sie an dem begrünten Oval, 24 Quadratmeter, die von Straßenlaternen und zahllosen Kerzen in ein warmes, irisierendes Licht getaucht wurden. Das Gras war trocken, duftete nach Heu. Die Hundehaufen lagen schwarz dazwischen und stanken zum Himmel. Sie holte ihre frischen Nelken aus der Tüte, wechselte das Wasser in der größten Vase und ersetzte den alten Strauß durch den neuen. Dann goss sie Wasser in die zahllosen Marmeladengläser, Töpfe und Vasen, die seit vier Jahren auf der Sitzbank standen. Neben Fotos, Briefen, Kerzen und Grußkarten für Marco. Jemand hatte einen Fan-Schal von der SPAL abgelegt, ein anderer einen billigen Ring. Filippo, Marcos Klassenkamerad und Bassist, hatte eine Gitarrensaite um das Holz der Lehne geschlungen, sein Mitspieler Matteo einen Fußballschuh festgeschraubt. Doch es gab auch Devotionalien, die Amanda nicht zuordnen konnte. Ein Autoschlüssel lag da, ein kleiner Teddybär und ein Brieföffner. Vielleicht von einem Mädchen, das Marco heimlich angehimmelt hatte.Amanda spürte einen Stich Eifersucht, dann Wut, die sich jedes Mal in ihre Trauer mischten, wenn sie hier war. Denn sie hatte den Verdacht, dass dies nicht nur ein Ort für Marcos Freunde war, sondern dass auch seine Widersacher heimlich herkamen. Feiglinge, die ihr Gewissen beruhigen wollten. Vielleicht sogar Angehörige der Polizisten, eine Mutter womöglich, die sich für ihren Sohn schämte, die für ihn büßen wollte.
    Oder vielleicht kamen auch die Zeugen jener Nacht, die alles gesehen, aber nie ausgesagt hatten, die sich ihr Schweigen hatten kaufen lassen.
    Amanda packte die alten Blumen und stopfte sie in den Müllsack. Dann nahm sie die Schaufel, sammelte die Hundehaufen auf und

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