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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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mitgefahren, und ihr werdet es auch weiter tun.«
    »Wir gehen am Tag zwanzig oder dreißig Kilometer, da kommt es auf die zwei auch nicht an. Wenn es umsonst ist, fahren wir mit.«
    »Es ist nicht umsonst, es kostet fünf Euro. Wie abgemacht.«
    »Wir haben keine Abmachung.«
    »Ach nein?«
    Der Rest der Schlange blieb stehen. Beobachtete die Szene, ohne sich zu rühren, obwohl der Aufrührer in ihrer aller Namen gesprochen hatte. Die beiden weißen Männer ließen drohend den Blick über die Gruppeschweifen. Der Schwarze, der aufbegehrt hatte, schulterte plötzlich seinen Sack und rannte los, aber da hörte man das Hecheln eines Hundes. Ein weißer Pitbull schoss aus dem Lieferwagen, überquerte den Hof und verbiss sich in den Sack, den der Schwarze dem Hund entgegengeschleudert hatte. Das Tier peitschte mit seinem Kopf hin und her, brachte den Mann zu Fall und sprang ihm auf die Brust. Der Schwarze schrie verzweifelt, und da ertönte ein scharfer Pfiff. Der Hund sah zum Lieferwagen, wo der Pfiff hergekommen war. Dort stand ein dritter Mann. Er war sicher über fünfzig, kräftig. An seiner rechten Ohrmuschel fehlte das obere Drittel. Er steckte sich eine Zigarette an, während der Hund gutmütig und zufrieden auf ihn zu trabte. Der Mann nickte seinen beiden Leuten zu. Der Dicke ging in Richtung eines Schrotthaufens, zog eine Eisenstange heraus, schwang sie über den Kopf und schlug dem Schwarzen vier Mal auf die Adduktoren. Vier Mal unterdrückte der Mann seinen Schmerzensschrei, während Lunau vor Wut die Zähne zusammenbiss. Die beiden Männer drehten sich zum Rest der Gruppe, der Kräftige schrie: »Sonst noch jemand unzufrieden?«
    Sie zögerten, aber als der Hund sie anknurrte, schüttelte einer den Kopf, und die anderen taten es ihm nach. Sie drückten dem Dünnen mit dem kahlrasierten Schädel Geld in die Hand.
    »Dann verschwindet! Das ist der Dank?«
    Die Farbigen zogen sich schweigend in die Halle zurück. Die beiden Männer stiegen in den Lieferwagen,starteten den Motor und fuhren vom Hof. Im Licht der Scheinwerfer konnte Lunau das schmerzverzerrte Gesicht des Schwarzen sehen. Es war der junge Mann mit dem ondulierten Haar, der ihm die Auskunft zu Joy verweigert hatte. Lunau lief am Zaun entlang und wischte durch das offene Tor.
    »Soll ich dich stützen?«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin Kaspar Lunau.« Er streckte ihm die Hand hin, und der Schwarze schlug im Liegen ein. »Kannst du aufstehen?«
    Der Mann nickte. »Es ist nichts.«
    Lunau schob ihm die Hände unter die Achseln und stellte ihn auf die Füße. Als der Mann ein Bein zu heben versuchte, schossen ihm Tränen in die Augen.
    »Soll ich dich zum Arzt bringen?«
    »Unsinn«, sagte der Mann.
    »Wie heißt du?«
    »Oba. Oba N’Doiou.«
    »Du bist Senegalese?«
    Der Mann nickte und presste die Luft durch die Nase.
    »Hat auch Meseret bei euch gearbeitet?«
    Wieder nickte der Mann. Er musste seine ganze Konzentration aufbringen, um die schmerzenden Muskeln unter Kontrolle zu halten. Bei jedem Schritt lief eine Serie von Grimassen über sein Gesicht. Trotzdem hatten sie fast schon die Lagerhalle erreicht, und Lunau musste sich beeilen. Vor den Kameraden würde Oba nichts mehr sagen.
    »Und du warst sein Freund.«
    Wieder ein Nicken.
    »Wo ist Joy?«, flüsterte Lunau. Der Schwarze reagierte nicht. »Ich muss sie finden. Das Leben eines kleinen Mädchens hängt davon ab.« Der Schwarze ging einfach mechanisch weiter. »Wo ist Michael? Joys Zuhälter. Kennst du ihn?«
    Die anderen hatten sich Oba gegriffen, trugen ihn in die Halle und legten ihn vorsichtig auf eine Pritsche.
    »Kennst du die Adresse von Michael? Oder von Joy?«
    »Sie sehen doch, dass es ihm nicht gut geht«, blaffte Lunau ein Hüne mit vorspringenden, blütenweißen Zähnen und einem riesigen Mund an.
    Lunau richtete sich auf und trotzte der Drohgebärde des großen Mannes. Er schaute in die Runde: »Weiß einer von euch, wo Joy ist?«
    Keine Reaktion. Lunau hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Er sah Saras Gesicht vor sich, hörte ihr Lachen.
    »Sie wissen nichts. Sie müssen hier verschwinden«, sagte der Hüne wieder. »Die kommen gleich zurück.«
    »Und was passiert dann?«, fragte Lunau. Er wusste nicht, wohin mit seiner Wut, seiner Angst und Verzweiflung.
    »Sie müssen gehen«, sagte der Hüne und trat auf Lunau zu. Er bewegte sich ganz entspannt und gleichmütig und wirkte dadurch umso entschlossener. Lunau sah hilfesuchend zu Oba. Aber Oba war schon wieder von der

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