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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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willen taten. Wenn einer starb, war das Angelegenheit der Garnison. Punktum. War der Tote aber nicht nur Offizier, entstammte er auch einer alten Hamburger Familie, lag die Sache natürlich anders.
    Jensens Kaffeehaus nahe der Börse war stets gut besucht – an diesem Tag war es so voll wie die Arrestzellen nach den Unruhen im vergangenen Jahr. Es gab etliche Kaffeehäuser in der Stadt, jedes hatte seine ganz eigene Kundschaft. Jensens wurde als das vornehmste gerne von den ausländischen Gesandten und wohlhabenden Reisenden besucht, insbesondere aber trafen sich hier die Mitglieder des Rats und der Bürgerschaft, der Deputationen und – das vor allem – der Kaufmannschaft. Unter dem belebenden Einfluss von Kaffee und Portwein wurden hier fast so viele Geschäfte eingefädelt und abgewickelt wie in den Kontoren, fast so viel Politik wie im Rathaus gemacht. Auch wer Neuigkeiten erfahren oder schnell und zuverlässig unter die Leute bringen wollte, ging zu Jensen. Am besten nach Börsenschluss um die Mittagszeit, wenn kein Kaufmann, der seine Geschäfte ernst nahm, den Weg dorthin versäumte.
    Ein Weddemeister gehörte keinesfalls in dieses Kaffeehaus, freiwillig hätte Wagner das Etablissement, wie er es nannte, auch nie besucht. Die Versammlung so vieler Männer in Röcken aus teurem Tuch, die einen wie ihn geflissentlich übersahen, schreckte ihn ebenso ab wie die Preise. Sein Dienst forderte manches Opfer, vielleicht hatte er Glück und auch der Wirt übersah in dieser Stunde des stärksten Gedränges einen Gast, dessen Kleider so schäbig wie seine Taschen leer waren.
    Die Tür stand weit offen, ein Zeichen, dass das Kaffeehausschon überfüllt war. Tatsächlich waren die Tische längst besetzt, Tabakqualm erstickte den aromatischen Geruch des Kaffees und der Schokolade. Jensen und seine Helfer konnten sich nur mit Mühe durch die dichten Reihen der Männer vor dem Tresen drängen, und im hinteren Zimmer gelang es den Billardspielern kaum, ihre Queues anzusetzen. Was wenig störte, an diesem Tag war sowieso niemand ernsthaft am Lauf der Elfenbeinkugeln interessiert. Selbst die begehrten Zeitungen aus England, Frankreich, Italien oder den Niederlanden blieben unbeachtet. Niemand verlangte, wie es sonst häufig geschah, nach Feder, Tinte und Papier, um einen eiligen Brief zu schreiben oder das Ergebnis einer Vorverhandlung über den Kauf eines Grundstückes, einer Partie venezianischer Seide oder über Höhe und Art der Mitgift einer Tochter zu notieren. Niemand stritt über das Für und Wider der neuen Lotterie oder lamentierte über den gemeinen Rückgang der Geschäfte im Allgemeinen und im Besonderen. Wie Wagner vermutet hatte, gab es an diesem Tag nur ein Thema, den Tod von Viktor Malthus.
    Er stand an der Tür, vor sich einen breiten Rücken, der über den Kragen hängende Zopf der gepuderten Perücke reizte ihn zum Niesen, und er überlegte, wie er es schaffen könnte, ins Zentrum des Geschehens zu gelangen. Drängeln half nicht, keiner dieser Männer würde ihm Platz machen.
    Nach ungeschriebenem Gesetz hatte jeder Mann, gleich welchen Standes, Zutritt zu den Kaffeehäusern. Das klang nach der neuen vernünftigen Art zu denken – mit der praktischen Umsetzung haperte es allerdings. Es war allgemeine Sitte, unerwünschte Gäste herablassend zu behandeln oder schlicht zu ignorieren, sodass sie ihren Kaffee in Zukunft in einem bescheideneren Gasthaustranken und ihre Zeitungslektüre an den Kiosken bei der Trostbrücke suchten.
    An der Tür, abgeschirmt durch diese geschlossene Menschenmauer, würde er nicht viel erfahren. Wenn er hören wollte, was die Männer redeten, was sie über Viktor Malthus wussten oder mutmaßten, musste er weiter vordringen. Wieder hatte er Glück. Einer der Syndici des Rats, ein Mann, dessen Statur an einen Stier erinnerte, schob ihn zur Seite und sich selbst, immer seinen beachtlichen Bauch voran, in die Menge, die sich vor ihm öffnete wie einst das Schilfmeer vor Moses. Und Wagner, auch nicht gerade ein schlanker Aal, schlängelte sich in seinem Schatten ins Zentrum des Geschehens bei den hinteren Fenstern.
    Dort stand eine besonders dichte Traube von Männern um den Tisch, der stets für die Handelsherrn Herrmanns, Bocholt und deren Freunde reserviert war. Zum allgemeinen Verdruss saß Claes Herrmanns, das eigentliche Ziel der allgemeinen Neugierde, nicht, genüsslich seinen geliebten Kardamomkaffee schlürfend, auf seinem angestammten Platz.
    «Natürlich nicht», erklärte

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