Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
Vom Netzwerk:
gekleidet, braun mit weißen Pünktchen, offenbar aus reiner Seide, eine Eleganz, die in geradezu obszönem Widerspruch zu seiner häßlichen Erscheinung stand.
    »Ah, mein Neffe sagt, du sein sehr zäh, viel Widerstand, das gefällt mir, komm mit, wir wollen das nun probieren«, sagte er.
    Ohne Mütze sah er ganz anders aus, weniger vogelartig, dafür gefährlicher, knochiger, mit einem blanken, gebräunten Schädel, auf dem nicht ein Haar wuchs, während über der Oberlippe ein breiter Bürstenbart saß, lackschwarz, wohl gefärbt. Wie alt mochte er sein? Wenn Vlado um die Dreißig oder jünger war … vielleicht war der Alte kaum fünfzig? Nein, er war ein Greis, gebeugt von der Zeit, mit brüchigen Knochen und saftloser Haut.
    Das flüchtige Wohlgefühl war vergangen. Britta erhob sich voller Angst.
    »Komm mit Onkel Kolja. Du sagen Onkel Kolja!«
    »Ja, Onkel Kolja.«
    Er nahm wieder ihren Ellenbogen und führte sie hinaus auf den Gang. Sie war sich sehr stark ihrer Nacktheit unter dem Bademantel bewußt. Ihr war auch klar, daß es sich hier um eine Inszenierung handelte, in der sie eine Rolle zu spielen hatte. Eine schreckliche Rolle?
    Der unheimliche Onkel führte sie in einen Raum mit dunklem Mobiliar, viel geschnitztem Holz, sehr schweren Möbeln. Unter einem gewaltigen Tisch lag auf dem blanken Parkett ein naturfarbener Teppich. Fünf hohe Fenster gingen in einer Front auf einen Park hinaus. Sie waren ohne Gardinen. Britta sah Baumwipfel und etwas Himmel.
    Vor allem aber war da der Hund. Eine gelbe Dogge. Sie erhob sich geschmeidig vom Boden zwischen zwei Fenstern, wie entschlossen zu Sprung und Angriff. Doch auf eine Handbewegung ihres Herrn hin ließ sie sich wieder auf dem Boden nieder.
    An der Wand gegenüber der Fensterfront stand als einziges Möbel ein sehr breites Bett, bedeckt mit einer braunen Felldecke. An der Wand dahinter war an einem Haken mit einem goldblanken Kettchen eine Gerte aufgehängt, auf die der Alte nun gebieterisch zeigte, während er Britta mit einem Ruck den Bademantel abnahm und sie sich beeilte, den Knoten des Gürtels gleichzeitig zu lösen.
    »Nehmen!«
    Britta fühlte sich einen Augenblick lang wie eine Zuschauerin der merkwürdigen Szene, doch kroch sie über die Bettdecke auf die Gerte zu, nahm sie herunter und ließ sie sich von dem Alten aus der Hand nehmen. Er schlug sofort zu, nicht sehr hart, aber schnell und ausdauernd. Britta sank flach auf das Fell. Stärker als den sich steigernden, zunehmend brennenden Schmerz empfand sie die Demütigung der Züchtigung, besonders, als er verlangte, sie solle »Danke, Onkel Kolja« sagen, bis sie es schließlich, nach einer trotzigen Pause, immer wieder hinausschluchzte, weinend wie ein Kind. »Danke, Onkel Kolja, danke, Onkel Kolja!«
    Er drehte sie sanft auf den Rücken und betrachtete forschend ihr Gesicht. Dann nahm er sie, ohne sich auszukleiden, erstaunlich kraftvoll, keine Spur von dem gebeugten Greis, den Britta als jenseits von Gut und Böse eingestuft hätte.
    Er erhob sich.
    »Die Schöne und das Biest!«
    Er lachte und ging. Die Dogge rührte sich nicht, schaute aber unverwandt zu Britta hin.
    »Guter Hund«, rief Britta ihr zu. Jetzt war schon alles egal. Sie hatte ja gewußt, daß sie hier nicht zur Sommerfrische war. Und dies war wahrscheinlich die einzige Möglichkeit für den unheimlichen Onkel: Er brauchte das angstvolle Opfer, den Landsknechtssieg über das erbeutete Weib. So etwas las man ja. Von so etwas hörte man manchmal. Doch so etwas passierte einem nicht. Glaubte man. Sie lachte hysterisch. Die Dogge schaute weg, schien wahrhaftig peinlich berührt zu sein.
    Britta überlegte: Was sollte sie jetzt machen? Aufstehen, einen Angriff des reizenden Tieres riskieren, das da auf dem Sprung lag? Bestenfalls hinausgehen und das Zimmer von vorhin suchen? Nein. Abwarten. Den Schmerz ignorieren. Stark sein. Das imponierte Onkel Kolja. Nur wenn sie Courage behielt, hatte sie Chancen. Sie versuchte, sich aufzurichten und nach dem Bademantel zu greifen, aber der Hund wandte sofort wieder aufmerksam den Blick in ihre Richtung.
    Endlich, es mochten zehn Minuten oder zwei Stunden vergangen sein, klopfte es kurz, und Juri trat ein. An seinem Blick erkannte sie, daß es ihn nicht gleichgültig ließ, sie nackt zu sehen, aber er tat unbewegt. Die Dogge erhob sich elegant und schritt zu ihm hin. Er streichelte sie flüchtig. Dann hob er den weißen Bademantel auf und hielt ihn Britta hin. Er sagte nichts, schien ihre

Weitere Kostenlose Bücher