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Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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sagte Italo ein wenig abfällig.
    »Soll heißen?«
    »Er hat interessante Frauen und guten Wein Meilen gegen den Wind gerochen.« Er leerte sein Glas. »Vergeßt die Toten, heute wird gefeiert.«
    »Ich habe regelmäßig bei ihm gekauft«, sagte Jean. »Seit ich in Neapel bin. Acht Jahre. Da kommt man ins Reden, erfährt das eine oder andere.« Er schnalzte mit der Zunge. »Ein netter Kerl. Und eine böse Geschichte. Die arme Fiorilla.«
    »Seine Frau?«
    Er nickte. »Sie hat eine Zeitlang Konversationskurse bei uns besucht. Waren Sie schon mal bei uns im französischen Kulturinstitut? Wir machen auch Ausstellungen, nicht nur mit französischen Künstlern.«
    »Es gab mal eine Reihe mit Filmen von Renoir, die habe ich alle gesehen«, sagte Livia. »Das ist auch schon alles.«
    »Oh, das ist sehr viel«, lachte Jean. Er hatte die Filme ebenfalls gesehen, und dann stiegen sie ein in ein längeres Geplänkel über die einzelnen Filme, die Darsteller, die Musik, aus dem Italo und Marlen demonstrativ ausgeschlossen wurden.
    Italo, der das sich anbahnende Techtelmechtel zwischen Jean und Livia mit einem weiteren Hochziehen der Augenbrauen kommentierte, verteilte den restlichen Brouilly auf sein Glas und das Marlens. »Damit auch wir nicht zu kurz kommen.«

18
    Entfernt drang die aufgeregte Stimme des Radioberichterstatters durch das halbgeöffnete Fenster, wurde schneller, heiser, überschlug sich, bis ein ansteckendes Tröten, Quäken, Hupen die Luft erfüllte und jeden weiteren Kommentar überflüssig machte.
    Der Tabakfrau brach der Schweiß aus, obwohl sie eigentlich bester Dinge war. Menschenmengen waren ihr nun einmal zuwider, den bloßen Gedanken an ein Fußballspiel haßte sie ebenso wie Kaufhausbesuche. In ihrem Laden saß sie wenigstens hinter dem schützenden, hölzernen Tresen, der sie von den anderen Leuten trennte. Die meisten Leute arrangierten sich mit der allgegenwärtigen Enge im Leben wie mit einer zweiten Haut. Der Sohn des Pizzabäckers zum Beispiel war mit einer Schwedin liiert und im letzten Sommer mit ihr nach Skandinavien gefahren. Wie es dort war? Achselzucken: troppo bosco, poca gente , zuviel Wald, zuwenig Leute. Da sei ihm seine stinkige, dreckige Gasse mit dem Geruch von Pizza und Öl und den Abgasen der Mofas Millionen Mal lieber, hatte er jedem erzählt, der es wissen wollte.
    Wieso fiel ihr ausgerechnet jetzt der Sohn des Pizzabäckers ein? Ablenkmanöver, Gedankenketten, als würde sie ein Kreuzworträtsel lösen, Fehlten noch diverse Buchstaben und Worte, bis es ein Gitterwerk ergäbe, vielleicht sogar ein Lösungswort, das sie einschicken konnte … Hier, vor der Leinwand, gab es nur das, was sie sah, hörte, fühlte, assoziierte, die Bilder an der Wand, die Fußballreportage, die unterirdischen Funde, Umberto – nein, dachte sie entschlossen und ein wenig verwirrt: Er war die Lösung nicht gewesen.
    Ohne den dazugehörigen Namen hätte er auch ein anderer sein können, einer, den sie nicht gekannt hatte, ein Fremder, wie man ihn jeden Tag im Bus sieht und sofort wieder vergißt.
    Aber es gab keine Verwechslung. Es verhielt sich mit dieser wie mit jeder Geschichte, jeder vergangenen Liebe: man streifte sie nicht einfach ab wie die Asche von der Zigarette. Vom Entflammen bis zum Erlöschen führte nicht einfach ein gerader Weg, und manchmal suchten die Tabakfrau Bilder heim und ließen totgeglaubte Gefühle erneut aufflackern. So war es auch mit dem Foto in der Sonntagszeitung gewesen, einer Aufnahme vom noch lebenden Umberto. Die Tabakfrau hatte nie ein Foto von ihm besessen, wozu auch. Sie hatte ihn vor Augen gehabt, jedesmal danach, wie er nackt und erschöpft dalag, den Mund leicht geöffnet, ruhig atmend: ein Bild von einem Mann, fand sie jedenfalls, wozu also ein Foto. Das Foto in der Zeitung war befremdlich und zeigte einen anderen Mann als den, den sie gekannt hatte. Die Journalisten warteten mit Kurzinformationen aus Lebzeiten des Toten auf: glücklich verheiratet, altansässige neapolitanische Familie, kinderlos, Inhaber diverser Weinläden, sportlich, gebildet – eine durch und durch integre Persönlichkeit.
    Ha, dachte sie! Was heißt das schon, »integre« Persönlichkeit? Unfug. Geschwafel. Ihre Gedanken rasten zurück zu dem Abend, an dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren, sie ließ noch einmal den Rolladen vor dem Tabakladen herunterrattern, bis das Schloß einschnappte, ging gemächlich die Gradoni di Chiaia bergab.
    Die Tabakfrau war in Neapel aufgewachsen und

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