Der Tote vom Kliff
Haus?«
Hollergschwandtner zögerte. Fragend sah er Sabine
Johbst an. Große Jäger spürte, dass es dem Mann sichtlich unangenehm war, nicht
allein vernommen zu werden.
»Wir haben Methoden, das nachzuweisen.«
Hollergschwandtner atmete tief durch, kratzte sich den
Stirnansatz und sagte leise: »Schön. Ich war schon einmal da.«
»Wann hast du da Party gemacht?« Sabine Johbsts Stimme
keifte nahezu.
»Bei Dr. Laipple gab es keine Partys«, sagte Große
Jäger.
»Dann hast du Miststück dich dort mit dieser
bescheuerten Mühl getroffen und herumgehurt«, schimpfte die Frau.
»Ich … ich …«, stammelte Hollergschwandtner
unbeholfen.
»Das glaube ich nicht«, warf Große Jäger ein. »Ihr
Freund war aus geschäftlichen Gründen dort.«
Sabine Johbst warf ihren Kopf in den Nacken. »Hah!
Geschäftlich. Was du wohl so machst. Wart mal!« Es schien, als wollte sie sich
auf ihn stürzen. »Ich habe es immer nicht glauben wollen, für böse
Verleumdungen gehalten. Erzähl mir nicht, du bist Katja von Mühls Zuhälter.«
Hollergschwandtner stöhnte gequält auf. »Bist du nicht
ganz dicht? Zuerst glaubt er da«, dabei zeigte er auf den Oberkommissar, »ich
will diese Scheiß-Hermelinjacke klauen. Und nun unterstellst du, ich wäre ein
Zuhälter. Sind denn plötzlich alle bescheuert?«
Große Jäger lächelte in Sabine Johbsts Richtung. »Ich
bin mir ziemlich sicher, dass das eine falsche Verdächtigung ist. Es gab DNA -Spuren beim Mordopfer. Lew
Gruenzweig hatte vor seinem Tod Intimverkehr. Die Rechtsmedizin hat – sagen wir
einmal – modifizierte Speisereste in Gruenzweigs Intimbereich gefunden.«
Die Frau verzog das Gesicht. »Das ist eine merkwürdige
Definition.«
»Ich möchte nicht missverstanden werden«, schob Große
Jäger nach. »Einer der fähigsten Mitarbeiter unserer Dienststelle und sicher
der beste und zuverlässigste Kollege hat sich auch für einen solchen
Lebensentwurf entschieden. Ich bewundere ihn und seinen Lebenspartner für die
Harmonie in ihrer Beziehung.«
Erst jetzt wurde Sabine Johbst bewusst, was Große
Jäger da umschrieben hatte. Sie sprang aus ihrem Sessel hoch und stürzte sich
auf Hollergschwandtner, bevor er oder der Oberkommissar reagieren konnten. »Du
elendiges Schwein, du verdammte Sau. Und dann bist du nach Hause gekommen mit
deinem dreckigen Ding und hast mit mir …« Sie würgte, ließ von dem Mann ab und
sank in den Sessel zurück. Dann begann sie zu weinen und murmelte unentwegt
dabei: »Du Schwein, du elendiges Schwein.«
»Hätten Sie uns gleich gesagt, dass Sie als Callboy
von Männern angefordert werden und damit Ihren Lebensunterhalt verdienen, wäre
vieles einfacher gewesen«, sagte Große Jäger. »Wir haben festgestellt, dass Sie
am Tag nach dem Mord wieder einmal zweitausend Euro in bar auf Ihr Konto
eingezahlt haben. Das war der Liebeslohn, den Sie von Gruenzweig erhalten
haben.«
Sabine Johbst schluchzte. Plötzlich fuhr sie hoch,
griff einen Stapel Untersetzer vom Tisch und schleuderte ihn wütend durch den
Raum. Große Jäger konnte gerade noch ausweichen, bevor die Dinger irgendwo
hinter ihm an die Wand oder gegen die Einrichtung flogen. Er stemmte sich in
die Höhe und drohte mit dem Zeigefinger.
»Den Rest sollten Sie unter sich ausmachen. Doch wenn
das schlimmer wird, ist die Polizei wieder bei Ihnen. Aber eine andere. Und die
kommt nicht allein.«
Noch während er auf dem Flur auf den Fahrstuhl
wartete, hörte er das laute Geschrei der jungen Frau.
* * *
Das Essen war hervorragend und dem Anlass
angemessen gewesen. Vater Lüders hatte ausnahmsweise nicht gemurrt, weil es
nicht die von ihm so geschätzte Holsteiner Hausmannskost gab. Selbst Horst
Schönberg, der anerkannte Gourmet, war voll des Lobes. Und für Jonas hatte die
Küche eine besondere »Spezialität« des Hauses bereitgehalten: Schnitzel mit
Pommes, dazu reichlich Ketchup und Mayo.
Sie waren beim Espresso angekommen, Horst Schönberg
hielt das Glas mit dem edlen Kirschbrand prüfend gegen das Licht, bevor er es
leicht schmatzend austrank und anerkennend die Stirn krauszog.
Margit beugte sich zu Lüder hinüber. »Nun ruf schon
an. Ich merke die ganze Zeit, dass dich etwas bedrückt. Warum ist Jochen
Nathusius nicht erschienen?«
Lüder tupfte sich vorsichtig die Lippen mit der
Serviette ab und stand auf. »Bis gleich«, raunte er Margit zu und hauchte ihr
einen Kuss auf den Hinterkopf.
Er fand ein ruhiges Plätzchen im Foyer und stellte
fest, dass ihn das
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