Der Toten tiefes Schweigen
genommen – wir haben zwei Firmenwagen. Ich konnte nicht den ganzen Weg hin- und zurückradeln, außerdem sieht es nicht sehr professionell aus.«
»Das kann man wohl sagen. Komisch, dass diese Miss Bedford …«
»Bradford.«
»Ach ja, Miss Bradford – klingt, als wäre sie eine zukünftige Miss UK , nicht wahr? Komisch, dass sie nicht auftauchte, keine Nachricht hinterließ und Sie sie nicht erreichen konnten. Merkwürdig. Finden Sie nicht?«
»Nein. Das kommt vor. Wir nennen sie Zeitverschwender.«
»Ah, verstehe. Das war sie also? Diese unsichtbare Frau?«
Simon Serrailler hatte in seiner langjährigen Polizeilaufbahn noch nie einen jüngeren Beamten vor einem Unbeteiligten bloßgestellt. Er bemühte sich, es nicht einmal vor Kollegen zu tun, obwohl es gelegentlich notwendig war. Doch er stand so nahe davor wie noch nie, Graham Whiteside eine Abfuhr zu erteilen – vor Craig Drew und vor Craigs Vater, der gekommen war, um ihnen frischen Kaffee anzubieten, und im Türrahmen stehenblieb, als sie ablehnten.
Craig sah zu seinem Vater hinüber. Tränen standen ihm in den Augen. Sein Gesicht war gerötet. Doch vor allem wirkte er verstört. Er verstand nicht, warum man ihn zur Rede stellte, was die Fragen bedeuteten, was er falsch gemacht hatte.
Nichts, wollte der DCS sagen, Sie haben überhaupt nichts falsch gemacht. Weil er es glaubte. Craig Drew hatte seine Frau nicht umgebracht. Wenn Simon vorher auch nur den leisesten Zweifel gehabt hatte – und es war nur der Schatten eines Zweifels gewesen –, so war der jetzt verschwunden. Craig Drew war kein Mörder.
Er stand auf. Whiteside blieb noch einen Augenblick sitzen und aß einen weiteren Keks.
»Wir lassen es dabei bewenden, Craig. Vielen Dank für Ihre Zusammenarbeit, und es tut mir wirklich leid, dass wir Sie behelligen mussten. Sie verstehen, dass wir Ihnen vielleicht weitere Fragen stellen müssen, wenn neue Informationen ans Licht kommen? Wenn wir irgendetwas Neues erfahren, werde ich mich natürlich mit Ihnen in Verbindung setzen. Wir haben ein Foto Ihrer Frau, und in diesem Moment, während wir miteinander reden, kommt ein Plakat heraus. Das finden Sie vielleicht lästig, aber es könnte uns eine große Hilfe sein. Die Leute denken nach, wenn sie ein Plakat sehen, sie erinnern sich, und oft melden sie sich dann.«
»Sie müssen es tun«, sagte Craig Drew unbeholfen. »Sie müssen. Das weiß ich.«
»Danke. Vielen Dank für den Kaffee. Oh, und wenn Sie mit mir reden wollen oder glauben, etwas könnte nützlich sein, hier ist meine Karte, das sind meine Telefonnummern, Büro und Handy. Zögern Sie nicht, mit mir Kontakt aufzunehmen.«
Whiteside streckte die Hand zum Keksteller aus, doch als er Serraillers wütenden Blick sah, zog er sie zögernd wieder zurück und folgte seinem Vorgesetzten aus dem Haus.
[home]
Zehn
V or gut einem Monat hatten sie diesen gemeinsamen Nachmittag vereinbart. Lizzie hatte donnerstags um drei Schule aus, Helen hatte sich den Tag freigenommen.
Am Morgen sortierte sie ihre Kleidung aus. Am Ende hatte sie drei Stapel: was sie nie trug, was sie hin und wieder anzog und was sie oft brauchte. Schließlich hatte sie drei Tüten für den Wohltätigkeitsladen, eine für die Altkleidersammlung und eine für die Reinigung. Der Rest, ausgebürstet und wieder auf Bügel gehängt, kam zurück in den Kleiderschrank, in dem vielversprechender neuer Raum wartete.
Sie traf sich mit Elizabeth am Schultor, zum ersten Mal seit Gott weiß wie vielen Jahren, und sie fuhren nach Bevham. Drei Stunden und viele Einkaufstüten später waren sie wieder in Lafferton und genehmigten sich Kaffee und geröstete Teekuchen in der neuen Brasserie in den Lanes.
Bisher war es Helen gelungen, die Unterhaltung um Kleidung und Schuhe kreisen zu lassen, auch das Abitur und das Mädchen, von dem Tom so hartnäckig verfolgt wurde, waren kurz Thema gewesen.
In der Brasserie war es ruhig. Sie war bei Einkaufsbummlern, Büroangestellten, jungen Leuten und Frauen, die sich zum Mittagessen trafen, sofort ein Renner gewesen, belebt vom ersten Kaffeeausschank um halb elf bis zum Nachmittagstee. Nach sieben wäre wieder viel los. Jetzt standen nur ein paar Leute an der Bar. Sie hatten einen Tisch auf dem erhöhten Fensterplatz mit Blick über die Lanes zur Kathedrale, und Helen war zufrieden – froh, mit ihrer Tochter zusammen zu sein, froh über ihre Einkäufe, rundum zufrieden.
»Gut. Raus mit der Sprache«, sagte Lizzie und löffelte den Schaum von
Weitere Kostenlose Bücher