Der Toten tiefes Schweigen
sich unter die anderen zu mischen. Er wollte nicht als Einzelgänger verschrien sein. Einzelgänger waren nicht beliebt. Man traute ihnen nicht.
Nicht, wenn diese Einzelgänger Waffen hatten.
Er biss in das weiche, frische Brötchen, und bei dem salzigen Geschmack des Specks lief ihm das Wasser im Mund zusammen.
»Dieses Jahr wieder der Champion, was?«, sagte Roger Barratt und klopfte ihm auf die Schulter.
Er schluckte. Schüttelte den Kopf. »Jemand anders ist an der Reihe. Ich schätze, meine Zeit ist vorbei.«
Sie lachten alle. Er hatte sie nicht täuschen können.
Die Seitenwände des Zeltes wurden bereits hochgeschlagen. Es würde heiß werden. Klar. Blauer Himmel. Schussrichtung Nordost. Perfekt.
Er trat ins Freie, gelassen, entspannt, ruhig. Zuversichtlich.
[home]
Zwölf
R affles!«
Der Hund war vor ihm an der Tür, zitternd. Phil Russell lachte, als er die Hundeleine aufhakte und die Hand auf die Türklinke legte. Zögerte. Der Retriever sah ihn an, erstarrt, er wusste, wagte es aber kaum einzugestehen, dass sein Herrchen zu Hause war, ja, und dass sie spazieren gehen würden, ja. Ja!
Phil öffnete die Tür.
Während des Schuljahrs nahm Phil den Hund jeden Morgen zu einem drei Kilometer langen Lauf mit. Nach dem Mittagessen kam dann ein Nachbar vorbei und führte ihn noch einmal aus. Doch dieser gelegentliche Ausgang an einem Spätnachmittag gefiel Herr und Hund am meisten, rein in den Wagen und raus aufs Land außerhalb von Lafferton. Das hielt sie beide gesund.
Jetzt bog er in die Hauptstraße ein und fuhr nach Osten Richtung Durnwell. Dem Lauf des Flusses folgend. Das Ufer war gesäumt von gekappten Weiden.
Seit Jahren kam er zweimal die Woche hierher, sowohl mit Raffles als auch mit seinem vorherigen Hund. Sobald er sich an ein Leben ohne Sheila gewöhnt hatte, war Phil sich selbst genug gewesen. Auf jeden Fall traf er an einem Arbeitstag genug Menschen. Nichts hatte sich verändert.
Alles hatte sich verändert.
Eine Zeitlang stand er auf einem Hang mit Blick auf den Fluss und warf den Ball. Er wollte Raffles zum Jagdhund ausbilden. Der Hund rannte los, tauchte, kehrte zu ihm zurück, und erst als er mit dem Ball in der Schnauze auf dem Rückweg langsamer wurde, zufrieden und erschöpft hechelnd, setzte Phil sich ins Gras. Raffles legte sich kameradschaftlich neben ihn, den nassen Ball unter dem Kinn. Der Tag war wieder heiß gewesen. Mückenscharen wogten über dem Wasser.
Alles hatte sich verändert.
Er wusste nicht, ob er an Liebe auf den ersten Blick glaubte. Er hatte Monate gebraucht, um sich seiner Gefühle für Sheila sicher zu sein, obwohl die Eheschließung dann, nachdem er sich sicher war, der nächste, einfache Schritt gewesen war. Erst im letzten Jahr hatte er in Erwägung gezogen, wieder jemanden zu suchen, hatte es aber meist sofort wieder verdrängt.
Der Gedanke an den Winter hatte ihm Sorgen bereitet, einen Winter allein, jetzt, da Hugh in Afrika war und für Tom nur noch seine Schauspielerei zählte. Phil hatte sein Erspartes. Er konnte noch vieles genießen. Winter war die Zeit der Fasanenjagd. Doch »allein« hatte mehr und mehr wie »einsam« geklungen. Der Gedanke ließ ihn nicht los.
Er war in das Pub gegangen, um sich mit Helen Creedy zu treffen, in der Hoffnung auf einen netten Abend in Gesellschaft und um eventuell eine Begleiterin für den einen oder anderen Theaterbesuch zu finden. Helen Creedy. Er hatte sie gesehen und gewusst, dass sie ihm wichtig sein würde. Sein Leben verändern würde. Dass sie …
Halt. Er beobachtete einen Reiher, der sich flügelschlagend vom Wasser erhob und wegflog, mit baumelnden Beinen, so plump in der Luft wie anmutig in Ruhestellung.
Halt.
Helen Creedy. Was? Er probierte Wörter im Kopf aus, beobachtete die Buchstaben, die sich bewegten und zusammenfügten, Wörter wie Freude. Freundin. Hübsch. Spaß. Intelligent. Gut. Reden.
Freundlich. Sympathisch.
Gesellschaft. Gute Zuhörerin.
Hingezogen.
Liebe.
Halt.
Was war Liebe? Sheila hatte er geliebt. Natürlich, obwohl die Liebe sich jedes Jahr verändert hatte, wie es mit Liebe nun einmal so ist. Frühe Liebe. Überraschte Liebe. Warmherzige Liebe. Beschützend. Verheiratet. Eltern. Alltag. Gesellig. Glücklich. Ängstlich. Verärgert. Verzweifelt. Der Liebe beraubt. Trauer.
Er liebte Hugh und Tom. Das war etwas anderes.
Und was war das jetzt? Anziehung. Gefallen. Vergnügen. Freude.
Liebe?
Die Schatten wurden länger. Die Mückenwolke wurde dichter und surrte
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