Der Totenerwecker (German Edition)
Handtuch fiel zu Boden, und um ein Haar hätte sie tatsächlich nach der Pistole gegriffen. Aber sie hatte Angst, dass er abdrückte und einer von ihnen verletzt wurde, wenn sie ihm die Waffe zu entreißen versuchte.
»Du weißt nicht, wie es ist, Sarah. Was dieses kranke Schwein mir angetan hat. Ich kriege es nicht aus meinem Kopf. Ich muss immer daran denken ... immer daran denken ...«
Sarah schüttelte den Kopf. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und ohne zu blinzeln starrte sie Josh an. Ihr Blick zuckte von der Waffe in seiner Hand zu seinen Augen und dann wieder zurück zum Abzug. »Nein, Josh. Nein. Leg sie weg!«
Behutsam setzte sie sich neben ihn, legte vorsichtig eine Hand auf seinen Oberschenkel und sah ihm in die Augen.
»Lass uns darüber reden, Josh. Sprich mit mir. Aber du darfst nicht gehen, okay? Wir müssen zusammenbleiben. Ich brauche dich, Josh. Ich kann das nicht allein durchstehen. Du musst mich beschützen.«
»Aber ich schaff’s nicht! Ich kann dich nicht beschützen! Diese magere, kleine Missgeburt ist mitten in unser Haus spaziert und hat dich vergewaltigt, während ich direkt daneben lag. Er hat mich vergewaltigt, Sarah! Er hat mich vergewaltigt! Ich kann mich nicht mal selbst schützen.«
Joshs Blick war wild. Er wirkte verängstigt. Aber noch mehr schämte er sich. Die Demütigung stand ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Dale hatte seinen Stolz vernichtet, sein Selbstwertgefühl, das er nach allem, was ihm als Kind widerfahren war, unter so großen Mühen wieder aufgebaut hatte. Dale hatte es mit Füßen getreten und vollkommen zunichtegemacht. Er hatte ihn gebrochen, genau wie geplant.
»Als Kind habe ich Baseball gespielt, und ich war sogar ziemlich gut. Hab ich dir das schon mal erzählt?«
Sarah nickte. Das hatte er – und nicht nur das. Sie ahnte, was jetzt kam.
»Dieser Priester, Pater Steve. So nannten wir ihn immer: Pater Steve. Steve Miller war sein Name. Er war der leitende Betreuer des Camps und der Trainer unserer Baseballmannschaft. Ich war der Star. Im Baseball war ich besser, als ich’s je im Eishockey war. Pater Steve versuchte immer, mich nach dem Training oder einem Match zu überreden, länger zu bleiben, um an meinen Würfen und Schlägen zu arbeiten oder ihm beim Wegräumen der Ausrüstung zu helfen. Immer wieder versuchte er, mich anzufassen, aber er war nur ein kleiner Kerl, etwa 1,70. So ein magerer Typ wie Dale. Mit zehn war ich fast so groß wie er. Ich schubste ihn weg und sagte ihm, dass er damit aufhören soll. Ich lachte sogar darüber. Ich lachte mit den anderen Jungen im Camp über Pater Steve. Wir unterhielten uns oft darüber, wie wir ihm in seinen klapprigen kleinen Arsch treten würden, wenn er etwas versucht.
Dann, eines Tages, als wir nach einem Spiel allein waren, fiel er über mich her. Ich versuchte, ihn abzuwehren, aber er war zu stark. Er hat mich vergewaltigt. Ich konnte es nicht verhindern. Danach hörte ich mit dem Baseball auf. Als wir am Ende des Sommers nach Hause kamen, ging ich nicht mehr zur Kirche. Zuerst erzählte ich niemandem, was geschehen war. Ich schämte mich zu sehr. Mit elf fing ich mit dem Gewichtheben an. Ich träumte davon, Pater Steve ausfindig zu machen und mit bloßen Händen zu erwürgen. Aber ich tat es nie. Ich stellte ihn nie zur Rede. Dann erzählte ich es eines Tages meinen Eltern. Mein Vater schrie mich an und schlug mich. Sie steckten mich in eine Erziehungsanstalt, wo ich von einem älteren Jungen und einem der Erzieher missbraucht wurde. Ich machte mit dem Gewichtheben weiter, bis ich zu stark war, als dass sich jemand an mir vergreifen konnte. In der High School stieß ich zum Eishockey-Team und machte Krafttraining, um noch muskulöser und kräftiger zu werden.
Später hörte ich dann plötzlich in den Nachrichten, dass ein gewisser Pater Steve Miller wegen Kindesmissbrauchs angeklagt wurde. Na, du weißt es ja. Du hast damals neben mir gesessen. Man legte ihm zur Last, während seiner 20-jährigen Tätigkeit für die Kirche über 100 Jungen missbraucht zu haben. Es gab einen Aufruf, dass sich weitere Opfer melden sollen. Einige der Zeugen erkannte ich aus dem Sommercamp wieder. Sie waren mit mir in der Baseballmannschaft gewesen. Ich schaltete den Fernseher aus. Ich konnte es nicht mit ansehen, und ich meldete mich auch nie als Zeuge. Ich wollte das alles nur vergessen. Also begann ich zu trinken, bekam ein echtes Alkoholproblem. Deshalb wurde ich auf dem Eis immer schlechter. Es lag
Weitere Kostenlose Bücher