Der Totenerwecker (German Edition)
Augen, aufgedunsen und geschwollen. Aus der Kosmetiktasche holte sie Lidschatten und Abdeckcreme und schminkte sich. Beim Verlassen des Badezimmers war in ihrem Gesicht keine Spur mehr von einem Heulanfall zu erkennen, obwohl Josh es sicherlich gehört hatte.
Dieses Mal machte sie sich nicht die Mühe, ihre Blöße zu bedecken. Dass Josh dabei schnell die Luft einsog, brachte sie zum Lächeln und fast auch wieder zum Weinen. Noch immer nahm sie ihm den Atem, noch immer fand er sie schön und begehrenswert. Aber das Letzte, was sie jetzt wollte und was sie jetzt ertragen konnte, waren seine Berührungen. Sie wandte sich von ihm ab und begann sich anzuziehen.
Es klopfte und Sarah griff sofort nach ihrer Handtasche, obwohl der Mann auf der anderen Seite »Zimmerservice!« rief.
Sarah sah Josh an. Er stand auf und ging zur Tür. Offenbar regte sich in ihm nicht die geringste Befürchtung, dass Dale vor der Tür stand, mit einem Messer in der Hand, um es Josh in die Brust zu rammen und sie anschließend zu vergewaltigen und zu ermorden – das verriet ihr überdeutlich, dass er ihr kein Wort glaubte. Er hatte für sich längst entschieden, dass sich alles nur in ihrem Kopf abspielte. Sarah ließ die Hand in der Tasche und gab sich alle Mühe, nicht gekränkt zu sein.
Es war der gleiche Kellner wie am Abend zuvor. Er lächelte höflich, und sein Blick wanderte zu ihrer Hand, die in der Handtasche steckte und die Pistole umklammerte, den Finger nur Millimeter vom Abzug entfernt. Der Griff der Waffe ragte aus der Tasche. Schnell schob Sarah sie wieder hinein, als sie es bemerkte. Ihre Augen begegneten sich, und er rang sich ein vages Lächeln ab. Josh folgte dem Blick des Kellners zu ihrer Tasche, dann stieß er einen Seufzer aus, kritzelte ein Trinkgeld und eine Unterschrift auf die Rechnung und komplimentierte den Kellner hinaus. Sarah merkte, dass Josh gern etwas über die Waffe gesagt hätte, es aber lieber bleiben ließ, weil sich ihre Umklammerung nicht löste. Endlich ließ sie die Pistole los und gesellte sich zu ihrem Mann. Die Stille war zurückgekehrt und umhüllte sie während des gesamten Frühstücks. Aber Sarah störte sich nicht daran. Das Essen war zu gut, um überhaupt an eine Unterhaltung zu denken, es sei denn über das, was sie sich gerade in den Mund steckte.
Die Armen Ritter waren locker gebacken und mit Puderzucker, Zimt, Muskat, Butter, Sirup und Schlagsahne übergossen. Wahrhaft dekadent! Sarah schaufelte das Mahl in sich hinein, als wäre sie ein dickes Kind bei einem Kuchenwettessen. Ob sie wollte oder nicht, heute Abend musste sie aufs Laufband, sobald Josh zu seiner Schicht aufbrach. Entweder das, oder sie würde Kurven an Stellen bekommen, an denen sie keine wollte.
Die Bagels waren mit Frischkäse beschmiert, der so locker aufgeschlagen war, dass er an Crème fraîche erinnerte. Darauf türmten sich Räucherlachs, Fleischtomatenscheiben, rote Zwiebeln und Kapern. Sarah erwies ihnen ebenso wenig Gnade wie den Armen Rittern.
Sie sah Josh zu, wie er sein Steak geduldig in kleine Würfel schnitt und jedes einzelne Stück sorgfältig in Soße tunkte, bevor er es sich in den Mund schob. Spiegeleier und Kartoffelpuffer hatte er zuerst gegessen, eins nach dem anderen, und das Fleisch gerade erst in Angriff genommen. Manchmal hatte sie einen größeren Appetit als er, und dann musste sie sich die Kalorien, die sie beim Fitnesstraining verbrannte, vergegenwärtigen, um sich nicht als fette Kuh zu fühlen. Für Josh dagegen war Sex fast das Einzige, was er an Fitnesstraining bekam. Trotzdem musste sie allmählich lernen, Zurückhaltung zu üben. Ihr Stoffwechsel würde sich mit zunehmendem Alter verlangsamen, und wenn sie weiterhin so zuschlug wie jetzt, würde sie bald 150 Kilo wiegen.
Aber das war etwas, worum sie sich jetzt noch keine Sorgen machen musste, und bis dahin galt es noch eine Menge gutes Essen hier in Las Vegas auszuprobieren. Keiner freute sich mehr als sie, dass die Stadt ihr Image als Urlaubsziel für Familien abgestreift hatte und sich mit erstklassigen Restaurants und Designerboutiquen an ein gehobenes Publikum wendete. Heute würde sie beides zur Genüge auskosten. Sie hatte bereits entschieden, zum Mittagessen ins Spago im Caesars Palace und zum Abendessen ins Fleur de Lis im Mandalay-Bay-Komplex zu gehen. Dort würde sie Josh dazu überreden, zum ersten Mal in seinem Leben Kaviar zu kosten. Danach vielleicht noch ein Nachtisch bei Joël Robuchon im MGM Grand Hotel. Es war
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