Der Totenerwecker (German Edition)
das Diktiergerät ans Ohr, während er sich aus dem Schlaf kämpfte. Doch in diesem Moment ertönte Joshs unverwechselbare Stimme aus dem kleinen Lautsprecher: »Scht. Ruhig, Schatz, es war nur ein böser Traum. Schlaf weiter.«
Sarah sackte in sich zusammen.
»Ein Traum?«
»Du bist mitten in der Nacht schreiend aufgewacht. Du sagtest, du wärst angegriffen worden.«
»Ein Traum?«
Es hätte eine Erleichterung sein sollen, aber stattdessen kam sie sich vor wie eine Idiotin. Sie warf die Bettdecke zur Seite, rannte ins Bad und schloss die Tür hinter sich. Diesmal schaffte sie es nicht bis unter die Dusche, ehe die ersten Tränen kamen.
Sarah saß in der Duschwanne und ließ das Wasser auf ihren Kopf prasseln und über ihr Gesicht laufen. Sie wusste nicht, wie lange sie so dagesessen hatte, als sie spürte, wie sich eine andere Emotion in ihr ausbreitete: Erleichterung. Wenn sie das alles nur träumte, bedeutete das, dass sie doch nicht vergewaltigt worden war. Und dass sie sich beim Nachbarn entschuldigen musste. Doch ihre Erleichterung währte nicht lange.
Durch das Geräusch des Wassers hörte Sarah, wie Josh an die Tür klopfte. Sanft und vorsichtig. Er wollte sich offenbar vergewissern, dass alles in Ordnung war.
»Es geht mir gut. Ich komm mir nur ein bisschen dumm vor. Bin gleich bei dir«, rief Sarah.
Josh klopfte erneut.
Sarah drehte das Wasser ab und trat aus der Dusche.
»Ich komm gleich.«
»Du solltest lieber sofort kommen. Die Polizistin aus dem Krankenhaus ist am Telefon.«
Sarah schlang sich ein Handtuch um den Kopf und ein weiteres um ihren Körper. Sie verließ das Bad, und im selben Moment, als sie die Tür öffnete und das Gesicht ihres Mannes vor sich sah, wusste sie, dass etwas nicht stimmte.
»Sie haben Sperma gefunden«, sagte er.
Sarahs Miene stellte die Frage, die ihre Lippen nicht formulieren mochten.
Josh schüttelte den Kopf und drückte ihr den Hörer in die Hand. »Es ist nicht meins.«
Sarah wollte nicht glauben, was sie da hörte. Sie starrte Josh unvermittelt an und hielt sich den Hörer ans Ohr.
»Hallo?«
»Mrs. Lincoln?«
»Ja?«
»Hier ist Detective Trina Lassiter. Wir haben uns am Freitag im Krankenhaus kennengelernt.«
»Ja.«
»Ich wollte Sie wissen lassen, dass uns jetzt die Ergebnisse aus dem Labor vorliegen. Der Test auf Samenflüssigkeit ist positiv ausgefallen.«
»W-wo? Ich meine, wo hat man sie gefunden?«
»Überall.«
»W-was meinen Sie damit?«
»Mrs. Lincoln, wir haben Spuren von Sperma in Ihrem After, Ihrer Vagina und Ihrem Rachen gefunden. Es war überall.«
Sarah schüttelte ungläubig den Kopf, den Mund vor Schreck aufgerissen, betäubt von dem, was sie da hörte.
»I-ist es mit dem von meinem Mann verglichen worden?«
»Ja. Leider gibt es mit dem Sperma Ihres Mannes keine Übereinstimmung.«
Sarahs Magen sackte nach unten, als säße sie wieder in einer der Achterbahnen. Ihr Gesichtsfeld verengte sich auf einen kleinen Punkt. Sie sackte auf die Knie und übergab sich auf den Boden.
»Wie kann das sein?«, rief sie. »D-die sagten doch, es gibt keine Anzeichen für eine Vergewaltigung! Wie kann das sein? Er war es! Dale war es. Ich weiß, dass er es war.«
Sarah nahm wieder den Hörer in die Hand.
»Was ist mit Drogen? Wurde etwas in meinem Blut gefunden?«
»Keine Spuren von Barbituraten oder Narkotika. Auch keine Spuren von Halluzinogenen.«
»Haben Sie nach K.o.-Tropfen gesucht? Was ist mit GHB oder Ketamin?«
»Es wurde ein komplettes toxikologisches Screening durchgeführt. Da war nichts außer Östrogen und Alkohol. Sehen Sie, das Gehirn spielt einem manchmal komische Streiche. Es kann sein, dass Sie es verdrängt haben. Das könnte der Grund sein, weshalb Sie sich an nichts erinnern.«
»Nehmen Sie ihn fest! Ich will, dass mein Nachbar in den Knast kommt.«
»Sind Sie sicher, dass er es war?«
»Ich erinnere mich an ihn. Ich sehe sein Gesicht klar und deutlich vor mir.«
»Als ich das letzte Mal mit Ihnen sprach, waren Sie unsicher, ob er Sie wirklich vergewaltigt hat.«
»Aber jetzt wissen wir es. Wir haben sein Sperma.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine richterliche Verfügung bekomme, um ihn zur Abgabe einer DNA-Probe zu zwingen. Nicht aufgrund der momentanen Beweislage. Ich weiß nicht, ob Ihre Aussage einen Richter überzeugen würde.«
»W-was? Und was soll ich jetzt tun?«
»Ich komme zu Ihnen, wir gehen Ihre Aussage noch einmal durch, und dann unterhalte ich mich mit Ihrem Nachbarn. Sind Sie
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