Der Totengräber (Horror-Roman) (German Edition)
in Deckung. Sie verbargen sich zwischen den feuchten Sträuchern.
„Versuch nicht zu stark an ihn zu denken“, sagte Lana. Der Klang ihrer Stimme glich einem leisen Wispern.
„Wieso?“, fragte Brad.
„Weil ich das Gefühl habe, dass er es merkt. Du hast seine Macht ja auch schon einmal zu spüren bekommen.“
„Ja“, murmelte Brad.
Irgendetwas, was der Totengräber in seiner Karre hatte, rollte hin und her.
Schließlich hatte er den Friedhof erreicht. Er kam den breiten Schotterweg entlang. Bei einem kleinen Mausoleum, das einem verdienten und reichen Bürger der Stadt gehörte, blieb er stehen. Francis Louis Walton lag hier begraben. Ihm hatte eine Tuchfabrik ganz in der Nähe gehört, die aber schon seit 120 Jahren nicht mehr existierte. Das Mausoleum jedoch hatte die Zeiten überdauert.
Jetzt war es vor allem ein Ort, der Fledermäusen und Vögeln Unterkunft bot. Hier teilte sich der Weg: Die rechte Abzweigung führte um die Kirche herum und endete am Vordereingang des Friedhofs. Der andere Weg führte direkt an dem Gerätehäuschen vorbei und endete an der alten Eiche, wo Lana und Brad sich getroffen hatten.
Der Totengräber wandte den Kopf. Er hob die Nase, so als würde er Witterung aufnehmen. Auch jetzt bei Dunkelheit trug er die Sonnenbrille. Inzwischen wunderte dies Brad und Lana nur noch bedingt. Wahrscheinlich standen ihm ganz andere Sinne zur Verfügung, um sich zu orientieren, so dass er auf die Augen nicht unbedingt angewiesen war. Der Totengräber stellte die Karre zur Seite, machte zwei Schritte auf das Gerätehäuschen zu. Fast lautlos flüsterte sein lippenloser Mund dazu irgendwelche unverständlichen Worte. Für einen kurzen Moment spürte Brad so etwas wie eine geistige Berührung.
Versuch nicht an ihn zu denken , nahm er sich vor, versuch am besten an gar nichts zu denken.
Der Totengräber machte ein paar weitere Schritte auf das Gerätehäuschen zu und nahm die Sonnenbrille ab. Deutlich war zu sehen, wie seine roten Augen in der Dunkelheit glühten. Eine ganze Weile stand er wie erstarrt da. Offenbar erforschte er mit seinen magischen Sinnen die Umgebung.
Der Schmerz, der Brad kurz zuvor noch gepeinigt hatte, war plötzlich verschwunden.
Der Totengräber drehte sich um, kehrte zu seiner Karre zurück und fuhr mit ihr noch ein Stück den Weg entlang in Richtung des Kirchengemäuers. Dann blieb er stehen. Vom Gerätehaus aus konnten Lana und Brad allerdings nicht weiter verfolgen, was er tat. Eine dichte Hecke verstellte den Blick.
„Wir müssen näher ran“, sagte Lana.
„Ich glaube, wir haben gerade großes Glück gehabt“, meinte Brad.
„Das war kein Glück.“
„So? Was denn?“
„Geistige Disziplin.“
„Diskutieren wir das ein anderes Mal.“
„Es ist wirklich wahr!“
*
Brad und Lana schlichen näher an den Ort heran, an dem der Totengräber im Moment offenbar eines seiner Rituale vorbereitete. Er hatte einen Singsang angestimmt.
Brad fühlte sich entfernt an die Gesänge von indianischen Schamanen erinnert, über die er in der Schule mal einen Dokumentarfilm gesehen hatte. Deutlich war zu hören, dass er in seiner Karre herumkramte. Brad und Lana näherten sich. Sie fanden dabei Deckung hinter einer Hecke.
Gehörte es nicht eigentlich zu den Pflichten eines Totengräbers, dafür zu sorgen, dass diese Hecken gestutzt werden?, ging es Brad durch den Kopf, aber dieser unheimliche Albino schien diese Aufgabe nicht sonderlich ernst genommen zu haben. Brad und Lana schlichen noch ein wenig weiter und verbargen sich hinter einer Reihe von dichten Sträuchern, im Schatten eines dicken knorrigen Baumes, dessen dichte Blätterkrone dafür sorgte, dass weder Mond-noch Sternenlicht sie beschien. Die meisten Laternen auf dem Friedhof waren ohnehin abgeschaltet worden. Das gehörte zu Sparmaßnahmen der Kirchengemeinde. Brad hatte darüber in der Lokalpresse gelesen. Einige Leserbriefschreiber hatten sich darüber beschwert, dass man sich dann in Zukunft bei Dunkelheit auf dem Friedhof und in der Nähe der Kirche ja nicht mehr sicher fühlen könne. Reverend Donaldson hatte schließlich nachgegeben und immerhin drei Laternen wieder eingeschaltet. Sie leuchteten allerdings nur bis Mitternacht. Danach spendete nur noch eine von ihnen Licht und die lag am Haupteingang des Friedhofs, der sich auf der anderen Seite der Kirche befand.
Doch der Totengräber hatte sein eigenes Licht mitgebracht -eine Öllampe, die er jetzt entzündete.
Er stellte sie neben eines der
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