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Der Totenleser

Der Totenleser

Titel: Der Totenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Garrido
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zusammen ein perfektes Ganzes ergeben würden.
    Ci war klar, dass er Hilfe brauchte, wenn er Feng demaskieren wollte. Aber wen in diesem Schlangennest konnte er darum bitten?
    Es fiel ihm eine einzige Person ein: Blaue Iris. Er wusstenicht, welche Rolle sie in dem Ganzen spielte, doch im Moment war sie sein einziger Rettungsanker.
    Er fand sie im Salon. Sie saß in einem Lehnstuhl mit einer cremefarbenen Katze auf dem Schoß. Ihr Blick war auf einen Ort gerichtet, den sie allein kannte. Als sie seine Schritte hörte, ließ sie die Katze zu Boden gleiten und wandte sich um.
    »Macht es Euch etwas aus, wenn ich mich setze?«, fragte Ci.
    Blaue Iris wies auf den Diwan, der ihr gegenüberstand.
    »Geht es dir besser?«, fragte sie unbeteiligt.
    »Ja, ich habe mich ein wenig ausruhen können … Allerdings gibt es eine Sache, die mich mehr beschäftigt als mein körperliches Befinden. Und vielleicht betrifft sie auch Euch«, sagte er.
    »Ach ja?«, fragte sie abwartend und mit undurchdringlicher Miene.
    Ci zögerte, dann fragte er: »Sagt, wie gut kennt Ihr eigentlich Bo?«
    »Ich kenne ihn nicht.«
    »Das ist seltsam, denn ich habe Euch heute Morgen im Garten mit ihm sprechen sehen. Es muss um etwas Schwerwiegendes gegangen sein, wenn es Euch zur Lüge zwingt.«
    Sie drehte sich weg. »Wie kannst du es wagen, dich hier als Ankläger aufzuspielen! Du solltest dich schämen, von anderen Erklärungen zu verlangen, du, der du nichts anderes getan hast als zu lügen, seit du dieses Haus betreten hast.«
    Ci seufzte. Die Unterhaltung hatte nicht gut begonnen.
    »Ihr habt recht, bitte entschuldigt meine Forschheit. Allerdings befinde ich mich in einer verzweifelten Situation und bitte daher um Nachsehen. Blaue Iris, so seltsam es sich anhören mag, ich fürchte, mein Leben liegt in Euren Händen.Ihr müsst mir unbedingt sagen, worüber Ihr mit Bo gesprochen habt.«
    »Nenn mir einen Grund, Ci, warum ich dir helfen sollte. Du hast über deinen Beruf gelogen. Du hast über deine Arbeit gelogen. Bo beschuldigt dich, und …«
    »Bo?«
    »Nun ja, nicht direkt.« Sie schwieg.
    »Iris!« Er stand auf, packte ihre Schultern und schüttelte sie. »Begreift Ihr denn nicht, mein Leben steht auf dem Spiel! Was hat Bo gesagt?«
    »Er sagte mir,dass er Feng verdächtigt.« Sie starrte ins Leere.
    Ci ließ sie erstaunt los. Diese Antwort war die beste aller möglichen Antworten, doch nachdem er sie vernommen hatte, wusste er trotzdem nicht, was er tun sollte. Er nahm wieder auf dem Diwan Platz und strich sich durchs Haar.
    »Ich … Iris, ich hege denselben Verdacht. Feng ist kein guter Mensch. Du solltest …«
    »Was weißt du schon von guten Menschen?«, rief sie. »Er hat mich aufgenommen, als alle mir den Rücken kehrten. Hat mich umsorgt und sich um mich gekümmert. Du hingegen hast nur eine Nacht mit mir verbracht und glaubst, deswegen das Recht zu haben, mir zu sagen, was ich tun soll. Nein! Feng kann diese schrecklichen Dinge nicht getan haben …« Tränen liefen ihr über die Wangen.
    Ci sah sie traurig an. »Feng spielt ein doppeltes Spiel. Und wenn Ihr mir nicht helft,werdet auch Ihr bald in Gefahr sein.«
    Iris schüttelte den Kopf.
    »Hört mich an, bitte! Ich verlange lediglich, dass Ihr morgen zur Verhandlung kommt und aussagt. Die Wahrheit.«
    »Welche Wahrheit? Deine Wahrheit? Denn meine Wahrheit ist, dass ich ihn brauche.«
    »Beim großen Buddha! Wir sprechen hier von Mord!«
    Sie lächelte bitter. »Du vergisst Ci, dass ich blind bin! Und was zählt außerdem das Wort einer Konkubine?«
    »Ich kann dich nicht zwingen. Es steht dir frei, zur Verhandlung zu kommen oder mich diese Nacht an Feng zu verraten, doch nichts, was du tust oder sagst, wird die Wahrheit verändern. Feng ist ein Mörder.«
    Er wollte sich in sein Zimmer zurückziehen, als Blaue Iris ihn zurückhielt.
    »Weißt du was, Ci, in einem Punkt hast du recht: Feng kennt sich aus mit den unterschiedlichsten Todesarten. Und ich zweifle nicht daran, dass er die schmerzhafteste auswählen wird, wenn es darum geht, dich zu töten.«
34
    Ci tat die ganze Nacht kein Auge zu.
    Nachdem er Feng unter dem Vorwand von Übelkeit und Kopfschmerzen erfolgreich aus dem Weg gegangen war, hatte er all seine Energie darauf verwendet, eine Strategie zu erarbeiten, die den Richter entlarven würde. Dann hatte er einige Zeit darauf verwandt, sich zu sorgen, ob das, was für ihn eine folgerichtige Argumentation darstellte, für den Kaiser womöglich nichts als böswilliges

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