Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
Schmerz stöhnte.
Die Schläge stachen und brannten und bissen. Sie war auch sehr präzise, traf ihn dreimal hintereinander fast genau an der gleichen Stelle, sodass er bei jedem Schlag aufheulte. Jetzt wusste er, von wem er seine Zielgenauigkeit beim Schießen geerbt hatte. Dabei hatte er gehofft, sie stamme von seinem Vater. Aber er hatte das von ihr.
Seine Kopfhaut fühlte sich glühend heiß und wund an. Hätte er sich doch nur nicht die Haare abrasiert. Doch dann begriff er die Bestrafung. Sie hätte das ohnehin gemacht, egal was er getan hätte.
Er hatte keine Ahnung, wie oft sie ihn geschlagen hatte, jedenfalls wurden die Schläge nicht weniger, und sie wurde nicht müde. Wenn ein Schlag einmal etwas sanfter ausgefallen war als der vorherige, war der nächste dafür hundertmal stärker.
Nach einer Weile wurde sein Geist leer. Er konzentrierte sich auf die Tür vor sich und die Fliesen dazwischen. Er betrachtete seinen Schatten. Irgendwann, dachte er, wird es aufhören.
Als ein Schlag ihn direkt hinter dem Ohr traf und der Schmerz so groß war, dass er glaubte, sie habe ihn verbrüht, kam ihm der Gedanke, dass er sich immer noch selbst den Bullen ausliefern könnte. Aber er wusste, dass Solomon mit seinen Tentakeln auch in deren Seelen vorgedrungen war, und zwar über den Umweg durch ihre Geldbeutel. Sie würden ihn laufen lassen, und er würde zur Hauptattraktion des nächsten SNBC werden. Und sie brauchten sich nicht einmal mehr die Mühe zu machen, ihm den Kopf zu rasieren.
Der Schmerz sickerte ihm durch den Schädelknochen. Er hatte Kopfschmerzen wie bei einem gewaltigen Kater, ein Druckgefühl hinter der Stirn. Bei jedem Schlag explodierten ihm weiße Sterne vor den Augen. Seine Nase fing an zu bluten. Er konnte die Schläge nicht einmal mehr spüren.
Irgendwann hörte er, wie sie die Latschen zu Boden fallen ließ.
»Und jetzt ab in die Wanne!«
Er hatte geglaubt, dass sie erschöpft sein müsse von der Prügelei, aber sie schrubbte ihn härter denn je, riss ihm regelrecht die Haut vom Rücken und von den Beinen. Das Badewasser färbte sich ein klein wenig rosa.
Er starrte das Aquarium an der Wand vor sich an. Ein stummer, wunderschöner Schwarm Fische. Wie verdammt leicht die es hatten, den ganzen Tag nichts anderes zu tun als schwimmen, fressen, gut aussehen und sterben.
Er dachte an seinen Vater und an Lucita. Die hatten ihn geliebt, das wusste er, und er war glücklich gewesen mit ihnen. Alles wäre so anders geworden, wenn sie noch am Leben wären. Er wünschte, er wäre an jenem Tag mit ihnen gestorben.
Er weinte. Ganz leise. Das tat er manchmal, wenn die Demütigungen seiner Mutter zu viel wurden, wenn sie wieder einmal einen wunden Punkt gefunden hatte, den sie bloßstellen und über den sie sich lustig machen konnte, in den sie immer wieder den Finger legen konnte. Sein Gesicht war sowieso schon nass, sie konnte seine Tränen also nicht sehen.
Er dachte darüber nach, was geschehen war, über seinen kurzen Moment der Rebellion, ihre Vergeltung.
Sie hatte recht. Er war kein Mann.
Die Tränen verschafften ihm Erleichterung, und damit einher ging noch eine andere Art der Erleichterung. Seine Blase entleerte sich. Er pinkelte einen langen, unkontrollierbaren Strahl ins Wasser. Er kniff die Beine zusammen und beugte sich leicht vor, damit seine Mutter es nicht sah, und die Wellen, die der Strahl verursachte, waren auch ganz unauffällig.
Danke Gott für Dettol, dachte er, das alle Keime abtöten würde, bevor sie die Wunden auf seinem Rücken infizieren konnten.
Der Gestank der Angst, den Carmine ausdünstete, war so stark gewesen, dass Eva von Anfang an gewusst hatte, dass er nur bluffte. Er hatte nicht den Mumm, gegen sie aufzubegehren. Sie musste nur laut werden und mit dem Fuß aufstampfen, und sein Rückgrat zerbröselte.
Sie sah, wie er sich anpinkelte und es zu verbergen versuchte. Sie war kurz davor, laut loszulachen.
Sie roch die Tränen, die ihm übers Gesicht liefen. Tränen waren wie Süßwasser und Meerwasser zusammen. Wenn es traurige Tränen waren, rochen sie mehr nach Salz, und genauso waren die von Carmine jetzt. Er heulte um sein erbärmliches, nutzloses kleines Ich. Und um seinen Papa. Und das elende Flittchen Lucita. Wenn er doch nur wüsste, was mit Lucita geschehen war. Eines Tages würde sie ihm die Fotos zeigen. Vielleicht. Sie hatte den Mördern seines Vaters aufgetragen, sie alle einmal durchzunehmen, bevor sie ihr das Lebenslicht ausbliesen. Und das
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