Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
war. Seine Idee war das nicht gewesen. Er begleitete nur seinen Freund Manny Gomez, der kämpfen lernen wollte.
Das Studio gehörte Eldon und Abe Watson. Seit Abe in den Ruhestand getreten war, führte er den Laden. Er war jeden Tag da, während Eldon vier Abende die Woche Amateurboxer trainierte. Eldon war in Mississippi und Florida Golden-Gloves-Champion gewesen und hatte für kurze Zeit als Profi gekämpft, bevor er zur Polizei gegangen war.
Abe und Eldon waren Partner gewesen. 1957 war Eldon der erste weiße Detective in einem Südstaat gewesen, der mit einem Schwarzen zusammenarbeitete – gut drei Jahre, bevor das Miami PD die Rassentrennung offiziell aufhob. Er war persönlich mit dem Antrag zu Chief Walter E. Headley gegangen und hatte argumentiert, dass es unter den Schwarzen Vertrauen schaffen und die Beziehungen zwischen den Rassen verbessern würde, wenn es wenigstens einen weißen Polizisten gab, der mit einem der ihren zusammenarbeitete. Der Chief hatte ihm Abe zugeteilt, den besten Detective, den die Abteilung der Schwarzen aufzubieten hatte. Ein überaus unpopulärer Schritt. Die weißen Detectives weigerten sich, mit Abe ein Büro zu teilen, und so wurde ihm ein enges, übel riechendes Kabuff im Keller der Polizeizentrale zugeteilt, nicht weit von den Haftzellen. Eldon zog mit ihm dort unten ein, und gemeinsam lieferten sie sehr gute Ergebnisse und lösten knapp 98 Prozent ihrer Fälle: solide Festnahmen, die zu soliden Verurteilungen führten.
Eldon hatte Max und Manny begrüßt, wie er jeden Möchtegernboxer begrüßte, der durch die saloonartigen Schwingtüren des Boxstudios trat: Kein Hallo, kein »Wer bist du?« oder »Wie geht’s?«, sondern nur: »Okay, schlag mir ins Gesicht«. Das war seine Methode, von Anfang an die Spreu vom Weizen zu trennen und die, die Befehlen gehorchten, von jenen, die Fragen stellten und zögerten.
Manny vollführte eine unbeholfene Version eines Jab, die er auf der Straße und bei Boxkämpfen im Fernsehen gesehen hatte. Eldon drehte lässig den Kopf zur Seite, und der Schlag ging meilenweit daneben. Max traf Eldon mit einem kurzen rechten Haken am Kinn und schickte ihn zu Boden, wo er mit dem Geräusch eines Sandsacks aufschlug, der auf einer leeren Tonne landet. Alle Anwesenden erstarrten mitten in der Bewegung. Seit es das Studio gab, hatte keiner bei Eldon auch nur einen einzigen Schlag gelandet, geschweige denn, ihn von den Füßen geholt.
»Es gibt hier nichts zu sehen, meine Damen. Zurück an die Arbeit«, rief er seinen gaffenden Schützlingen zu, nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte. Dann hatte er Max und Manny angesehen und gesagt: »Wir sehen uns morgen Abend, Punkt sechs Uhr. Bringt Shorts, T-Shirts und Hallenschuhe mit. Und seid pünktlich.«
Max war eine seltene Perle: ein Boxer mit jenem natürlichen, gottgegebenen Talent, das nur noch in die richtige Richtung gelenkt und auf Spur gehalten werden musste. Er wurde Golden-Gloves-Champion im Mittelgewicht, zuerst in Florida, dann auf nationaler Ebene. Alle waren der Überzeugung, dass er es sehr weit bringen und erst die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Mexiko holen, später unangefochtener Weltmeister werden würde.
In der Öffentlichkeit hatte Eldon ihn nie anders behandelt als die anderen Boxer im Studio – seltenes und hochgradig widerwilliges Lob bei ansonsten andauernder Kritik und Brüllerei -, doch im Privaten entwickelte sich eine enge Verbindung zwischen den beiden. Sie ergänzten einander perfekt: Eldon hatte keine Söhne, und Max’ Vater, der Jazzmusiker war, hatte sich aus seinem Leben verabschiedet, als er neun war, und ihn der Obhut seiner Mutter überlassen, die die meiste Zeit nicht anwesend war, weil sie zwei Jobs hatte, um das Dach über ihrem Kopf und das Essen auf ihrem Tisch bezahlen zu können. Eldon nahm Max unter seine Fittiche und passte auf ihn auf, er spornte ihn an, für die Schule zu lernen, weil man nur wenige Jahre boxen konnte und etwas brauchte, auf das man zurückgreifen konnte, wenn der Ring einen nicht mehr wollte. Max öffnete sich ihm, redete mit ihm wie mit einem älteren, weiseren Freund und fragte ihn um Rat – meistens ging es um Mädchen, ein Thema, bei dem Eldon Experte war. Seinen ersten Sex hatte Max dem Boxen zu verdanken. Nachdem er seinen ersten Pokal geholt hatte, keine drei Monate, nachdem er zum ersten Mal in die 7th Avenue gekommen war, hatte Eldon ihm eine Stunde bei einer Nutte geschenkt – das tat er für alle seine
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