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Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Titel: Der Totenwächter - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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gesprochen. Mom hatte gesagt: »Das ist ein Zeichen für deine Intelligenz!« Grace grinste in sich hinein. Immerhin benötigte sie nicht die drei Stufen um den Pool zu verlassen und würde morgen von der Toberei keinen Muskelkater haben.
    Brad machte es sich in seinem Liegestuhl bequem. Die Sonne brannte. Jedermann wartete, dass die Fahrt weiterging. Dass sich das Schiff endlich wieder bewegte. Sie wollten auf dem Nil fahren und nicht stundenlang im Hafen liegen.
    Überhaupt war etwas sehr seltsam. Dann fiel es Grace auf. Sie waren seit drei Tagen auf diesem Schiff und seitdem hatte sie noch nicht einen der anderen Touristen im Pool schwimmen sehen. Das war wirklich merkwürdig. Ja - bisher hatten nur Brad, Mom und sie im kristallklaren Wasser geplanscht. Mochten die anderen Frauen und Männer so etwas nicht? Grace amüsierte sich und musterte die Faulenzer aus den Augenwinkeln. Es waren ungefähr dreißig Männer und Frauen. Sie lagen in ihren Stühlen und schwitzten in der Sonne oder im Schatten unter den Sonnenschirmen. Hatte von denen denn niemand Lust auf eine Abkühlung?
    Es ist vermutlich wirklich nicht so toll, älter zu werden, dachte Grace. Wenn man sich die Herrschaften ansah, konnte man zu dem Schluss kommen, dass älter sein bedeutete, langweilig zu werden.
    Es waren erst drei Stunden vergangen, seitdem sie in der Wüstensonne eingeschlafen war, ebenso eingeschlafen wie einige der Gäste, die jetzt unter den Sonnenschirmen schlummerten. Und sie hatte geträumt. Von einem großen Hund und einem Typ, der ihr seine schwarzen Fingernägel entgegen gestreckt hatte. Widerlich! Noch jetzt schüttelte es Grace bei dieser Erinnerung. Das hatte man davon, wenn man zu spät ins Bett ging.
    Der Traum!
    Er ließ sie nicht los.
    Immer wieder schlich er sich in ihre gute Laune und legte ein schwarzes Tuch darüber. Lag nicht sogar über diesem Schiff so etwas wie eine zu ruhige Stimmung? So, als hätten sich schwarze Wolken vor die Sonne geschoben und alles in ein misstönendes, unrichtiges und diffuses Licht getaucht?
    Brad winkte ihr zu und erlöste sie von ihren deprimierenden Wahrnehmungen, die mit plötzlicher Wucht über sie hergefallen waren.
    Grace ging zu ihm. Sie hatte die freie Auswahl. Drei Liegen waren reserviert. Auf einer davon lag Brad, die anderen zwei waren mit Handtüchern gekennzeichnet. Grace schwang sich in eine bequeme Position.
    »He, Grace. Man hat den Eindruck, du schläfst mit offenen Augen.«
    »Was weißt du eigentlich über die alten Ägypter?«, fragte sie.
    Brad grunzte und drehte seinen Kopf. Feine Schweißtropfen glitzerten auf seiner Stirn. »Wenig. Warum?«
    »Ich hatte heute einen seltsamen Traum.« Grace staunte darüber, dass sie Brad den Traum erzählte. Aber sie konnte nicht anders. Dieser Mann war - freundlich! Er hatte ihr sofort das »Du« angeboten und gesagt, er habe schon viel von ihr gehört. Grace hatte erwidert, das beruhe auf Gegenseitigkeit. Sie hatten sich sofort verstanden.
    Brad hörte aufmerksam zu. Hin und wieder schnellten seine Augenbrauen in die Höhe. »Dieser Hund, von dem du erzählst, ist in der ägyptischen Mythologie ein Totenwächter. Man nennt ihn Anubis. Der bewacht die Gräber der Pharaonen.«
    »Und wer war ...« Grace überlegte. Der Name war so fern. »Sephrete - oder so?«
    Brad grinste. »Keine Ahnung. Vermutlich eine Göttin oder wer weiß was.«
    »Der Typ in meinem Traum hatte schwarze Fingernägel.«
    »Damals hatte man andere Schönheitsideale als heute. Da waren schwarze Fingernägel überhaupt nichts Besonderes.« Brad richtete sich etwas auf. »Könnte es sein, dass auch deine Generation schwarze Fingernägel ziemlich angesagt findet?«
    »Das war früher ... Grufties.«
    »Früher?«
    »Vor meiner Zeit.«
    Brad seufzte und ließ sich auf die Liege zurückfallen. »Manchmal können Träume ziemlich verwirrend sein.« Wieder stahl sich ein nachdenklicher Zug auf sein Gesicht. »Manche Träume können so realistisch wirken, dass man meint, man habe das Geträumte wirklich erlebt.« Er machte eine fahrige Handbewegung, so, als verscheuche er eine Fliege. »Deshalb sollte man Träume ernst nehmen. Sie drücken viel über uns aus, immerhin repräsentieren sie unser Unterbewusstsein. Manchmal allerdings sind sie einfach nur gruselig und spannend. Nichts, über das man sich Sorgen zu machen braucht.« Er machte eine kleine Pause. »In deinem Alter träumt man sowieso sehr viel. Ich erinnere mich daran, dass ich in den Zeiten meiner Pubertät

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