Der transparente Mann (German Edition)
Hand.
Joe lachte zurück. Bei ihm fand sie sogar solche Zweideutigkeiten charmant.
Sie setzten sich auf ein leeres Gerüst, genossen die Sonne und redeten. Konstantin sah sie dabei so intensiv an, als müsste er sie neu studieren. Joe wurde sich ihres schmutzigen Overalls und der schwarzen Ränder unter ihren Fingernägeln bewusst. Was sie augenblicklich verlegen machte.
»Du siehst so sexy aus«, flüsterte er ihr höchst erotisch ins Ohr.
»Nicht wirklich.« Joe strich sich den Staub aus den Haaren.
»Weiß du, was ich jetzt am liebsten machen würde?«
Da war schon wieder dieses Kribbeln in ihrem Bauch. »Was denn?«
»Ich würde dich gern küssen – erst deine Nasenspitze, dann deine Ohrläppchen, um dann weiter mit meiner Zunge zu deinem Hals zu wandern, dann zu deinem Nacken, so ganz sanft die Schultern herunter. Dabei würde ich deine Träger einfach herunterstreifen und mit meiner Hand über deinen Busen und deinen Bauch fahren, und dann …«
»… fallen wir vom Gerüst!« Joe brauchte dringend eine kalte Dusche. »Du machst mich ganz verrückt.«
»Schön.« Er gab ihr einen Kuss. »So soll das auch sein. Ich freue mich schon auf heute Nacht.«
»Ich mich auch«, seufzte Joe. »Ich habe mich übrigens so darüber gefreut, dass du daran gedacht hast. Danke. Ich konnte dich nur nicht gleich anrufen, weil du ja im Flieger gesessen hast. Das war echt süß von dir.«
»Süß?« Er verzog das Gesicht zu einer komischen Grimasse.
Joe lachte. »Na, dann eben liebevoll, aufmerksam, zärtlich, innig. Ich weiß schon, Männer wollen niemals süß sein!«
Konstantin schaute trotzdem irgendwie irritiert drein. »Danke? Wofür eigentlich?«
»Wie wofür?«
»Ja, wofür bedankst du dich?«
»Für die Rosen natürlich.«
»Rosen?«
»Die du mir geschickt hast!«
»Ich hab dir keine Rosen geschickt.«
Joe lachte auf. »Ach, komm! Es ist der schönste Strauß, den ich in meinem Leben bekommen habe.«
»Rosen? Von mir? Wann?«
Jetzt war Joe verwirrt. »Du musst doch wissen, dass du mir Rosen geschickt hast. Bei dem Strauß war sogar eine Karte mit Glückwünschen.«
»Ich bin doch nicht senil. Wofür sollten die denn gewesen sein?« Konstantin klang ein wenig gereizt.
»Na, ich dachte, du wolltest mir zu meiner neuen Baustelle gratulieren. Es waren achtundzwanzig. Ich habe sie gezählt.«
Schweigen antwortete ihr. Joe wurde langsam unsicher. Sie schauten einander an. Dann platzte Konstantin heraus:
»Dieser dämliche Blumenladen! Die waren für deinen Geburtstag bestellt!«
In Joes Kopf war plötzlich nur noch Watte. Ihr Bauch fühlte sich an wie auf hoher See. Selbst als Konstantin sich wieder gefangen hatte und zärtlich den Arm um sie schlang, legte sich der Sturm in ihrem Herzen nicht.
»Sorry, war ein dummer Zufall.« Er spürte ihre Stimmung und fuhr fort: »Nein, es war kein Zufall, es war Schicksal. Zu so einem Anlass sollte man Rosen bekommen.«
Joe schwieg beharrlich weiter.
»Komm, jetzt schau nicht so! Freu dich trotzdem über die Blumen.«
Joe schluckte. »Wieso bestellst du drei Monate im Voraus meine Geburtstagsblumen?«
In seinem Blick lag die Unschuld eines Buben. »Ist das sehr schlimm?«
»Irgendwie seltsam, findest du nicht?«
»Ach, Johanna!« Der leicht genervte Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Jetzt hör mit diesem Unsinn auf. Du weißt doch, wie oft ich verreisen muss. Und wer weiß, wo ich an deinem Geburtstag bin. Ich muss private Dinge einfach organisieren, so unromantisch das auch für dich klingen mag. Freu dich doch, dass ich hier bin!«
Er hatte Recht. Seltsam fand Joe es dennoch.
Es war ein altmodischer Blumenladen mit einem ebenso altmodischen Bestellbuch mit goldener Schnörkelschrift, das jetzt vor dem Verkäufer auf dem Tresen lag, der mit getrockneten Rosenblüten, einer Duftlampe, Salzkristallen und Feng-Shui-Pyramide zu einem Kunstobjekt stilisiert war. Topf- und Trockenblumen präsentierten sich auf dem Marmorboden in italienischen Terrakotta-Töpfen. Die fertig gebundenen Sträuße, die in kunstvoll bemalten Tonvasen auf Käufer warteten, waren Meisterwerke der Bindekunst, und es gab hier die prächtigsten Orchideen, die Joe jemals gesehen hatte. Die Wände waren in warmen Rot- und Brauntönen mit einer speziellen Wischtechnik gestrichen, sodass man sich bereits beim Betreten des kleinen Ladens wohl und heimelig fühlte.
»Ach, die Bestellung von Konstantin Wastian«, sagte der Florist, ein sympathischer Mann um die vierzig.
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