Der transparente Mann (German Edition)
sich für dieses neue Forum bedankten, konnten nicht irren. Endlich fühlte sich Joe bestätigt, und sie konnte es kaum erwarten, dass Alt nach Hause kam.
Die Kirchturmuhr schlug dreimal. Joe gähnte herzhaft, ach, noch eine letzte Nachricht, bevor sie endgültig das Licht löschen wollte. Sie klickte »Mariella aus München« an, und ihr Herz machte einen Satz. Ein sonnengebräunter Konstantin lächelte ihr wie ein Männermodel von der obersten Tribüne des römischen Kolosseums entgegen. Eine Hand hatte er lässig in die Hosentasche gesteckt, sein Blick war so jungenhaft harmlos, dass man ihn für den aufrichtigsten Mann der Welt hätte halten können. Seine hellbraune Wildlederjacke lag neben ihm auf der Mauer, und er trug ein weißes Leinenhemd, in dem seine schwarze Gucci-Sonnenbrille steckte. Rom stand ihm gut. Der Tag war zweifellos strahlend und schön gewesen.
Kalte Wut packte Joe, sie murmelte eine Verwünschung und hätte ihn am liebsten in die Zeit vor zweitausend Jahren zurückkatapultiert. Als Gladiator hätte sie ihn gegen einen hungrigen Löwen kämpfen lassen. Nein, gegen zwei! Dennoch fiel es ihr schwer, den Blick von ihm zu wenden, denn er war der Mann, den sie so sehr geliebt hatte.
Immer noch aufgewühlt trank Joe einen großen Schluck Bier. Und dann noch einen. Dabei las sie hektisch die dazugehörige Geschichte. Tatsächlich. Die Frau, die an Joes Stelle mit ihm verliebte Tage in Rom verbracht hatte, hatte ihr geschrieben und ihm bereits den Laufpass gegeben, was Joe nicht ohne Genugtuung las. Sie erinnerte sich noch gut an den dunkelhaarigen Pagenkopf, der neben Konstantin so strahlend durch die Abfertigungshalle des Flughafens gehetzt war. Höchstens fünfundzwanzig konnte sie sein, aber auch sie hatte keine Lust, sich länger zu belügen. Genau wie Joe hatte Konstantin ihr ein Junggesellenleben vorgegaukelt, von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft gesprochen. Das Buch, das Joe längst in den Müll geworfen hatte, hatte er auch Mariella geschenkt, die er – genau wie sie – an der Uni kennen gelernt hatte.
Fassungslos schüttelte Joe den Kopf. Wahrscheinlich besaß Konstantin eine ganze Kiste von Let'stalkaboutlove -Exemplaren. Bei seinem Frauenverschleiß hatte er vom Verlag sicher einen Großabnehmer-Rabatt bekommen. Die Webpage hatte Mariella die Augen geöffnet, und dafür bedankte sie sich überschwänglich bei der unbekannten Schöpferin und bei Monika Treschniewski, die einen Artikel über das neue Forum für Frauen in der Tageszeitung veröffentlicht hatte.
Das war also des Rätsels Lösung! Deshalb quoll plötzlich die Webpage vor Nachrichten schier über. Joe wusste nicht mehr, was sie denken oder fühlen sollte. Selbst diese Monika hatte offensichtlich gehofft, Konstantin mehr zu bedeuten. Doch sie hatte erkennen müssen, dass er sie nur ausgenutzt hatte, sie, die bekannte Münchner Journalistin, die im Glauben an echte Gefühle stets nur Lobeshymnen über seine Ausstellungen schrieb und sicher eine Menge zu seinem ruhmreichen Aufstieg beigetragen hatte. Ob sie wohl auch nach der nächsten Vernissage mit Engelshänden schreiben würde? Joe revidierte augenblicklich ihre bisherige Meinung von der pummeligen Journalistin, die sie damals so penetrant hatte ausfragen wollen. Jetzt kannte sie den Grund und befand, dass diese Monika mehr Mut besaß, als sie ihr jemals zugetraut hätte.
Joe lächelte befriedigt. Ausgerechnet in der meistgelesenen Münchner Boulevard-Zeitung stand nun jener Artikel, der auf die Webpage www.der-transparente-mann.de hinwies. Viele Frauen, die Konstantin kannten, hatten ihn gelesen, und wenn all seine Freundinnen sich jetzt von ihm lossagten, würde er bald in seinem großen weißen Haus vereinsamen. Dies musste für ihn eindeutig schmerzlicher sein als ein erbitterter Kampf gegen sämtliche Löwen im Kolosseum. Vielleicht würde er nun begreifen, dass man mit Herzen nicht Fußball spielte, und am eigenen Leibe verspüren, dass gnadenloses Lügen nicht ohne Folgen blieb.
Schlagartig war ihre Müdigkeit wie weggeblasen. Im Schnellverfahren durchsuchte Joe die Webpage nach bekannten Namen, bis sie eine »Stefanie aus München« entdeckte, die Konstantin deftig als »Mistkerl«, »Arschloch« und »skrupellosen Vielficker« beschimpfte. Joe lachte. Typisch russisches Temperament!, dachte sie. Treffender hätte sie selbst es auch nicht formulieren können, und so schlief sie irgendwann, den Laptop in den Armen, selig ein.
Joe erwachte, als sie Alf
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