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Der transparente Mann (German Edition)

Der transparente Mann (German Edition)

Titel: Der transparente Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sixt , Barbara Wilde
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genau überlegen müssen, wie er mit der Frau seines Herzens umging, wenn er auf Dauer in den Genuss ihrer Weiblichkeit kommen wollte. Beschwingt stieg Joe in ihr Auto. Die Webpage war für sie ein Triumph, und den ließ sie sich von niemandem schmälern. Nicht einmal von Alf.
    Auf dem Weg zur Baustelle stoppte sie an ihrer Lieblingsbäckerei, eine der wenigen in München, die nicht von Fabriken beliefert wurde, sondern in der noch nach Hausfrauenart selbst gebacken wurde. Schon beim Betreten roch es verführerisch nach krossem Brot, süßem Gebäck und frisch aufgebrühtem Kaffee. Wie immer, wenn Joe mit Heißhunger vor der Theke stand und ihr Blick über die lockende Auslage wanderte, wollte sie am liebsten all diese Köstlichkeiten der Konditoreikunst auf einmal essen. Der Gedanke, dass sie wieder so viel sündigen konnte, wie sie wollte, ohne einen kritischen Blick von Konstantin auf kleine Fettpölsterchen befürchten zu müssen, steigerte ihre Einkaufslust. Deshalb entschied sie sich gleich für drei Butterbrezeln, drei Croissants und drei Nussschnecken.
    Bereits auf dem Weg zurück zum Auto griff Joe gierig in die große Papiertüte und verschlang mit gesundem Appetit gleich während des Fahrens die erste Brezel und dann noch zwei weitere Croissants, bis sie an einer Ampel stoppte und ihr Blick auf drei Zeitungsständer am Straßenrand fiel. Es waren jene Kästen, deren Besitzer sich auf die Ehrlichkeit der Leute verließen, dass diese nach Entnahme einer Zeitung das entsprechende Geld auch in die Kasse warfen. Spontan schoss es Joe durch den Kopf, dass ja heute vielleicht auch andere Tageszeitungen über ihre Webpage berichten würden. Bekanntlich schrieben die des Öfteren voneinander ab.
    Noch die Rotphase der Ampel nutzend, sprang Joe wie elektrisiert aus dem Wagen und fischte aus jedem Kasten ein Exemplar. Hektisch kramte sie nach Kleingeld. Sechzig Cent waren alles, was ihre Taschen hergaben. Kurz entschlossen schob sie einen Fünfeuroschein in eine der Geldkassetten. Wenn man die Welt verbessern wollte, musste man zuerst bei sich anfangen, befand sie und erinnerte sich schuldbewusst daran, dass auch sie hier schon mal, ohne zu zahlen, die Morgenzeitung hatte mitgehen lassen.
    Lautes Hupen unterbrach ihre Gedanken. Die Ampel hatte längst auf Grün geschaltet, und der Fahrer des Wagens hinter dem ihren gestikulierte wild fluchend. Dabei sah er doch, dass sie bereits zu ihrem Auto zurücksprintete. Immer dieses überflüssige männliche Stressgehabe!, dachte Joe und schenkte ihm ein überlegenes Lächeln, denn sie war bestens gelaunt, freute sich auf den Kaffee, den sie sich gleich im Baubüro aufbrühen würde, setzte sich in ihren Wagen und steuerte ihren Kastenwagen durch die zunehmend stärker befahrenen Straßen, was mit der aufgeschlagenen Zeitung quer über dem Lenkrad ein nicht einfaches und vor allem verkehrstechnisch gefährliches Unterfangen war. Aber Joe konnte ihre Neugier nicht zügeln, und so überflog sie noch während der Fahrt Seite für Seite, ohne jedoch etwas über den Transparenten Mann zu entdecken.
    Wirklich schade, fand Joe enttäuscht. Sie dachte an all die vielen dramatischen Geschichten, die seit gestern auf dieser Webpage gelandet waren. Sie alle wären eine Schlagzeile wert gewesen. Einer spontanen Eingebung folgend, fuhr sie an der großen Baustelleneinfahrt vorbei und dann die zwei Straßen weiter zu Marc, denn plötzlich drängte es sie, ihn aufzusuchen, um ihm bei einem gemeinsamen Frühstück von ihrem Sensationserfolg zu berichten. Sicher würde er ganz schnell seine negative Meinung bezüglich ihrer Webpage ändern, wenn sie ihm nur ein paar der weiblichen Leidensstorys erzählen würde, die sie gestern Nacht so gefesselt hatten. Joe hatte keine Lust, darauf zu warten, bis Marc um halb acht sowieso auf der Baustelle erscheinen würde. Sie war sich sicher, dass er sich über ihren Überraschungsbesuch freuen würde. Und zwei Nussschnecken waren ja auch noch für ihn übrig.
    Er war nicht da. Zumindest öffnete er nicht die Tür. Dabei war es erst kurz vor halb sieben. Schon geschlagene fünf Minuten stand Joe nun mit ihrer nicht mehr ganz so prall gefüllten Tüte aus der Bäckerei ungeduldig vor seiner Tür und klingelte Sturm. Komm schon Marc, mach endlich auf!, dachte Joe. So lange konnte kein Mensch unter der Dusche stehen, ohne sich nicht langsam aufzulösen. Entnervt drückte sie noch ein weiteres Mal den runden Plastikknopf unter seinem Namensschild und blickte

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