Der Traum des Schattens
Begeisterung nicht. » Márias Vater hat sich vor Jahren aus dem Staub gemacht, die Mutter… ach, die muss man nicht kennen. Die ist noch übler drauf als Magdolna. Von Kunun hat sie absolut nichts. Mattim, selbst wenn sie ihn gekannt hat, wenn sie mit ihm zusammen war, müssen ihre Kinder nicht von ihm sein. Das hier ist unsere Welt, und in der ist es nicht ganz so einfach mit der Liebe wie bei euch.«
» Wie kommst du darauf, bei uns sei es einfach?«, fragte er.
» Du scheinst jedenfalls daran zu glauben, dass alles ewig hält und man jeden Streit schlichten kann. Man pustet auf die Wunde, und sofort hört sie auf wehzutun. Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Ende.«
» Nein«, sagte er leise. » So ist es nirgends.« Er versuchte, nicht an Hanna zu denken, Hanna in Kununs Armen. Die Liebe endete– wer wusste das besser als er? » Vergiss Magdolna. Wir brauchen nicht sie, sondern Mária.« Er drehte sich um. Sein Blick fiel auf die offene Wohnungstür. » Beim Licht, wo ist sie hin?«
» Sie ist weg!« Alarmiert sprang Réka auf. » Wir müssen sie finden, und wenn sie dann immer noch widerspenstig ist, beiße ich sie, und wir schleppen sie einfach rüber. Bringen wir das Feuer nach Magyria! Ja, das könnte mir gefallen, wenn alles dort versengt wird. Aber ich schätze, du hast Angst um Hanna.«
» Hanna«, wiederholte eine andere Stimme. » Immer geht es dir um Hanna, wie?« Auf dem Treppenabsatz stand Mirita, die Arme vor der Brust verschränkt, in ihren Augen ein gefährliches Funkeln.
» Du hast also alles mitgehört«, sagte Mattim. Er fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich, und bemühte sich um Fassung. » Wir sind am Ziel unserer Suche, unserer gemeinsamen Suche.«
» Ach, jetzt auf einmal?«, fragte Mirita. » Wo du mich unlängst noch für eine Verräterin gehalten hast?« Ihre sonnigen Locken hüpften auf ihrer Schulter, als sie auf ihn zutrat. » Wenn ich Mária an Kunun verrate, ist sie tot, so viel steht fest. Es war nie vorgesehen, dass du ein echtes Lichtkind findest.«
» Dann tu es eben nicht«, sagte er. » Auch du hast einmal für das Licht gekämpft. Es hat dir mehr bedeutet als jedem anderen, den ich kenne.«
Mirita kam noch einen Schritt näher. » Deine Mutter hat mir damals deine Hand versprochen. Sogar Kunun hat mir gesagt, ich könnte dich haben, und er ist der König. Das muss doch etwas zählen, oder? Wenn ich diesmal auf deiner Seite stehe, Mattim, dann richtig. Ich bringe Mária für dich durch die Pforte. Fegen wir all die anderen Schatten hinweg! Aber dafür erwarte ich, dass du mit mir zusammen bist. Mattim und Mirita. Wenn dein Traum in Erfüllung gehen darf, dann muss meiner das auch.«
Er starrte sie entsetzt an. » Was soll das werden, Mirita? Man kann sich Liebe nicht erkaufen.«
» Oh doch«, widersprach sie. » Das kann man. Wenn du dich ein bisschen bemühst, wenn du endlich diese dämliche Hanna aufgibst, die sich zwischen uns gedrängt hat, können wir damit anfangen, unser eigenes Leben zu leben. Versprich mir, dass du sie loslässt– warum auch nicht? Sie hat dich sowieso längst vergessen. Dann erobern wir Magyria für das Licht zurück.« Jetzt stand sie so dicht vor ihm, dass ihre Locken seine Wangen streiften.
Er musste nur ja sagen. Wie hätte er auf Magyria verzichten können, für Hanna, die ein Schatten war und Kunun liebte? Sein ganzes Volk, sein verlorenes Königreich, bis hinunter nach Jaschbiniad, über das sich die Dunkelheit hermachte?
» Aber«, stammelte er, » ich kann nicht einfach aufhören, sie zu lieben. Sie ist mein Herz und meine Seele, mein Licht.«
» Verdammt, Mattim!«, schrie Mirita. » Gib sie endlich auf!«
» Nein!«, rief er. » Nein, ich kann nicht!«
» Ich habe es satt, auf dich zu warten. Beim Licht, ich habe es satt zu leiden!«
Er wich dem Schlag aus, duckte sich, sprang zurück. Ein kurzer Blick zu Magdolna– sie saß apathisch da und schien nichts wahrzunehmen. Réka dagegen ballte kampflustig die Fäuste. Sie war ein Schatten, dennoch nützte sie ihm in diesem Kampf nichts.
» Lauf Mária nach!«, rief er ihr zu. » Beeil dich. Du musst sie unbedingt finden!«
Réka schlüpfte durch die Tür, während er Mirita zurückhielt, die nach dem Mädchen griff. Die Quittung bekam er sofort. Die ehemalige Flusshüterin schlug so hart zu, dass er gegen die Wohnungstür taumelte, dann riss sie das Knie hoch und rammte es ihm in den Magen. Er schnappte nach Luft und richtete sich wieder auf,
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