Der Traum des Schattens
Dunkelheit auf ihre Freundin zu. Dann erst bemerkte sie die Schatten, die das Menschenmädchen bedrohten. Für so etwas hatte sie jetzt wirklich keine Zeit. » Weg von ihr!«, fauchte sie. » Aber schnell.« Sie stieß die Frau zur Seite und wollte nach Márias Hand greifen, doch das Mädchen wich vor ihr zurück.
» Du gehörst zu ihnen, zu den Schatten!«
» Komm, wir müssen dich hier fortbringen!«, rief Réka. » Mama, hilf mir.«
Mónika trat einen Schritt vor und zögerte angesichts der beiden grimmigen Schatten, die ihre Beute nicht so schnell aufgeben wollten. Just in dem Moment tauchte hinter ihnen Hanna auf.
» Hier bin ich!«, rief Mária hoffnungsvoll. » Hilf mir!«
» Geh nicht zu ihr!« Réka streckte die Arme nach ihr aus, doch Mária duckte sich, rannte um die Autos herum und steuerte auf Hanna zu. » Nein! Sie wird dich zu Kunun bringen. Bleib hier!«
» Bei mir bist du in Sicherheit«, sagte Hanna. Sie lächelte wie ein Schatten, wie Atschorek, lieblich und dunkel zugleich. » Ich verspreche es dir.«
» Hey, weg hier, weg!«, rief der Schatten, der immer noch neben dem Auto stand, fasste seine Partnerin am Handgelenk und zog sie mit sich. Im nächsten Moment erblickte Réka den Grund dafür.
Ein Rudel Wölfe glitt aus dem Nebel, und direkt dahinter marschierten Kunun und ein Dutzend schwertbehangener Krieger heran– der König mit seinem Gefolge.
Mária wurde bleich wie die Wand, als die unheimlichen Wesen auf sie zuhielten.
» Komm zu mir!«, lockte Hanna sie. » Niemand wird dir etwas zuleide tun!«
Mária wich zurück, vor ihnen allen.
» Du darfst nicht nach Magyria!«, flehte Hanna.
» Haltet sie!«, schrie Kunun.
Mária versuchte Rékas zupackenden Händen zu entwischen, doch Mónika warf sich ihr in den Weg. Im nächsten Moment war auch Réka neben ihr und krallte die Finger um ihren Arm. Gemeinsam schleppten sie die kreischende junge Frau über den Bürgersteig, während die Wölfe wie eine graue Flut auf sie zuströmten.
» Da, durch die Pforte!«, rief Réka. » Schnell!«
» Wo?«, schrie Mónika.
» Dort drüben ist eine Markierung auf dem Pflaster. Hier entlang!«
Fast wäre es Mária gelungen, sich ihnen zu entwinden, doch schon erreichten sie den rettenden Übergang. Dumpf war Réka bewusst, in welche Gefahr sie sich begab. Sie hatte schon lange kein Blut mehr getrunken, und wenn Mária tatsächlich das Licht in sich trug, würde es sie wahrscheinlich sofort verbrennen. Sie hätte ihre Mutter fragen können, ob sie sie beißen dürfe, aber sie wagte nicht, Mária auch nur für einen Augenblick loszulassen.
» Tut das nicht!«, schrie Hanna. » Réka, du wirst sterben, bist du verrückt?«
Das Mädchen zögerte ein paar Sekunden zu lange. » Weiter«, sagte sie dann zu ihrer Mutter. » Er bringt sie sonst um.«
Zu dritt stolperten sie durch die Pforte in den dunklen Wald von Magyria.
Ungläubig starrte Réka auf Mária, die mit einem Schrei nach vorne taumelte. In ihrem Rücken steckte der Griff eines Messers.
Der dunkle Wald, ewiger Herbst, Nachtdunkel.
Mária stöhnte. Ein roter Fleck breitete sich auf ihrem Rücken aus. Sobald ihre beiden Entführerinnen sie losließen, fiel sie auf die Knie.
» Wohin habt ihr mich gebracht?«, keuchte sie. Es schien ihr nicht einmal bewusst zu sein, was mit ihr geschah, als wäre der Schmerz eine Nebenerscheinung des Übergangs. » Ist das eure finstere Welt, ihr verfluchten Vampire?«
» Ja«, sagte Réka. » Das ist Magyria. Oh Mária!« Verzweifelt ließ sie sich neben ihre Freundin fallen und legte ihr den Arm um die Schulter. War die Lunge getroffen? Blutstropfen erschienen auf ihren Lippen, liefen ihr aus der Nase. » Es tut mir so schrecklich leid! Wir waren nicht schnell genug. Wenn ich doch bloß nicht gezögert hätte…«
» Wo ist denn jetzt das Licht?«, fragte Mónika.
Hinter ihnen stolzierte Kunun durch die Pforte, umringt von Wölfen und Schatten. Er war wie das Zentrum einer wirbelnden Masse aus Dunkelheit, und er lachte, er wollte gar nicht aufhören zu lachen.
» Ja«, sagte er. » Wo ist es? Müsste es nicht hell werden?«
Hanna erschien ebenfalls, blass und erschrocken, und kniete sich neben Mária, die schwer hustete. Immer noch begriff sie nicht, dass sie starb. » Eine Welt der Nacht«, flüsterte sie. » Vampire. Man kann hier nicht atmen.« Blut lief ihr aus dem Mund, malte einen dunklen Streifen auf ihre helle Haut.
» Du hast sie umgebracht, Kunun!«, schrie Réka. » Dabei ist sie gar
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