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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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aber nicht genug. Mit zweihundert Kriegern konnte er Akink nicht einnehmen, er würde sie alle verlieren. Sollte er Verhandlungen führen? Sollte er Kunun etwas anbieten für das Mädchen? Nur was? Er besaß nichts, was für seinen Bruder von Wert war. Höchstens konnte er sich selbst im Austausch anbieten. Er war bereit, doch er hatte kein Recht dazu. Die Schatten beobachteten ihn, und er hatte versprochen, sie zu führen. Sein Vater hatte ihm das Kommando übergeben, und er hatte es angenommen. Sich zu opfern, diese Wahl hatte er nicht. Nicht einmal, wenn es um Réka ging.
    » Nein«, sagte er. » Es tut mir leid, das ist nicht möglich. Réka ist auf sich gestellt. Wir werden Akink angreifen, aber nicht so. Ich brauche eine richtige Armee.«
    » Jetzt nicht mehr«, meinte sein Vater müde. » Sie wird dir nichts nützen.«
    Mattim atmete tief durch, sammelte Kraft in sich und hob die Stimme. » Ich will reden«, sagte er laut.
    Sie scharten sich um ihn, Stille kehrte ein. Es war zu dunkel, um alle zu sehen, zwischen ihnen glommen kleine Lichter auf, Öllampen und Taschenlampen, und beschienen die erwartungsvollen Gesichter.
    » Heute ist ein dunkler Tag für uns alle«, sagte er. » Es gibt niemanden mehr aus der Familie des Lichts, der unser Schicksal wenden kann. Kunun hatte eine Lichtprinzessin, aber ihre Nachkommen stammen leider nicht von ihm ab.« Er schenkte Mária, die verwirrt auf dem Boden hockte, ein wehmütiges Lächeln. » Die Suche nach ihr hat uns viel gekostet, und diese Frau hier am meisten. Es gibt keine Hoffnung mehr für das Licht.« Er fühlte die Blicke der Anwesenden auf sich. » Das Licht ist jedoch mehr als Akink, mehr als Magyria. Ich schicke euch nicht nach Hause – wohin solltet ihr auch gehen? Wir mögen keine Zukunft haben, aber wir werden unsere Gegenwart, unsere Kraft und das, was uns vom Leben geblieben ist, dem widmen, was immer die Aufgabe des Lichts war: der Rettung Unschuldiger.« Er atmete tief durch, denn jetzt kam das Schwerste. » Ich wollte immer zwei Dinge: das Licht und eine Armee. Die erste Hoffnung hat sich zerschlagen. Wir haben kein Licht, das Magyria heilen kann. Wir können den Verfall nicht aufhalten, ihn höchstens verlangsamen. Immerhin können wir die Blutfeste beenden und dafür sorgen, dass keine neuen Pforten entstehen.«
    Der König seufzte schwer. » Der Fluss ist erloschen. Wozu die Anstrengung, wenn nichts mehr zu holen ist? Willst du auf dem Thron sitzen und dabei zusehen, wie Magyria auseinanderfällt?«
    » Ja«, sagte Mattim fest. » Gehen wir mit wehenden Fahnen unter! Verbrennen wir Akink, bevor es über Budapest hereinbricht.«
    Die Versammelten schnappten nach Luft, selbst diejenigen, die sich das Atmen abgewöhnt hatten. Entsetzen breitete sich aus, als hätte er einen Stein in einen ruhigen Teich geworfen.
    Mattim hob die Hand, um Ruhe zu gebieten. » Das wenigstens können wir noch tun, für die Unschuldigen. Es wird unser sterbendes Königreich sein, nicht Kununs. Lieber löschen wir es eigenhändig aus, als die andere Welt mit in den Abgrund zu reißen. Wir sind immer noch aufrechte Männer und Frauen im Dienste des Lichts. Wir sind Schatten– jedenfalls die meisten von uns–, aber die Dunkelheit konnte uns nicht überwältigen. Wir werden tun, was getan werden muss. Besser es regnet Asche auf die andere Welt, als dass unsere Mauern und Straßen auf eine bewohnte Stadt herabstürzen.«
    » Das ist das Ende von Magyria«, keuchte Solta.
    » Ja«, sagte Mattim, » das ist es. Aber Magyria stirbt so oder so. Glaubt ihr, ich würde diesen Weg wählen, wenn noch Hoffnung bestünde? Wir ziehen gegen Akink, um es zu zerstören.«
    » Wir sind viel zu wenige!«, rief jemand.
    » Ja, natürlich. Das ist mir bewusst.« Mattim blickte sich unter den Schatten um. » Sagte ich nicht, dass ich zwei Dinge haben wollte, das Licht und eine Armee? Ihr seid bestenfalls eine Rebellenschar. Über meine Pläne, weitere Kämpfer herzubringen, wissen nur wenige Eingeweihte Bescheid. Falls es nicht gelingt, falls ich nicht in spätestens drei Tagen zurück bin, befolgt ihr die Anweisungen meines Vaters und meines Hauptmanns. Bereitet alles vor, bis ich zurückkomme, sorgt für Öl und für genügend Pfeile. Wir brauchen vor allem Brennmaterial. Bringt es durch die Pforten nach drüben. Ich verlasse mich auf euch.«
    Mehr hatte er nicht zu sagen. Unzählige Hände berührten ihn, während er zwischen den Reihen der Rebellen hindurchschritt, als könnte es Glück

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