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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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mein damit einhergehendes Recht, dieses Volk zu befehligen, werde ich nicht verzichten; ich könnte es nicht einmal, ohne die Gesetze zu verletzen. Allerdings würde ich es schätzen, wenn Ihr an meiner Seite bleibt und mir als Hauptmann dient. Wir werden in den Krieg ziehen.«
    Mirontschek verknotete den Gürtel. » Gegen wen?«
    » Gegen Kunun«, erklärte Mattim. » Wir werden Akink niederbrennen. Ich hatte eigentlich mit Adlern gerechnet– hoffentlich sind Fledermäuse schnell genug. Wir haben nicht mehr viel Zeit, bevor Magyria auseinanderbricht.«
    Ungläubig starrte der Fürst ihn an. » Ihr wollt gegen Akink ziehen? Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt und mich um Unterstützung gebeten?«
    » Weil ich ein Nein nicht akzeptieren kann«, sagte Mattim. » Weil ich Euch und Euren Leuten Verluste zumute, die alles übersteigen– gegen Schatten zu kämpfen ist das Schlimmste überhaupt. Und«, er lächelte, » ich habe einen Grund gebraucht, um Euch in die Tiefe zu stoßen, weil Ihr partout nicht springen wolltet.«
    Der Fürst sah auf einmal ungleich jung aus. » Ihr habt es gewusst?«, fragte er. » Woher?«
    » Ich war ein Wolf«, gab Mattim zur Antwort. » Glaubt mir, ich merke recht schnell, wenn sich hinter einem Menschen mehr verbirgt. Ich habe den Flug in Euren Augen gesehen.« Er streckte die Hand aus. » Freunde?«
    Mirontschek kämpfte gegen das Grinsen an, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete, und verlor. » Ich sollte Euch hassen. Ihr habt mir meine Stadt gestohlen und mich in die Schlucht geworfen. Glaubt mir, die ersten Sekunden, die ich gefallen bin, waren alles andere als lustig.«
    » Das glaube ich gern. Trotzdem müsst Ihr Euer Volk jetzt auffordern, ebenfalls in die Tiefe zu springen und loszufliegen. Ich brauche jeden Einzelnen. Lasst die Kinder und die ganz Alten hier, aber alle Übrigen– Heranwachsende, Männer und Frauen– müssen dabei sein. Was an Waffen zur Verfügung steht, kommt in ein paar große Netze, die im Flug getragen werden können. Weitere Waffen haben wir im Wald vor Akink gelagert. Ich werde allerdings erst nach Euch eintreffen, denn zu meinem Leidwesen kann ich nicht fliegen.«
    » Wenn wir Netze voller Waffen transportieren können, dann können wir auch Euch tragen.« Inzwischen hatten sie die Stufen zur Tropfsteinhöhle erreicht. Vor den Augen der Zuschauer kniete Mirontschek vor Mattim nieder. » Mein Prinz«, sagte er laut. » Gebietet über uns.«
    » Ich soll schwimmen? Meinst du das ernst?«
    Der Fluss war so breit, dass man das andere Ufer kaum sehen konnte. In der Tat war er Mónika noch nie so breit vorgekommen wie in diesem Moment, als ihr klar geworden war, was der Wolf von ihr wollte.
    » Das schaffe ich niemals. Das ist viel zu weit! Es ist kalt, die Strömung ist stark, und ich bin keine so gute Schwimmerin, wie du vielleicht glaubst.«
    Er ließ sich nicht umstimmen, sondern drängte sie zum Ufer, immer weiter zum Wasser hin. Als sie erneut protestierte, zeigte er ihr seine Zähne. Sie glaubte nicht, dass er sie tatsächlich beißen würde, doch erpicht darauf, es herauszufinden, war sie auch nicht. Überdies tauchte ein weiterer Wolf am Ufer auf, der wie ein Zwilling ihres roten Wolfs aussah– nur war sein Fell etwas dunkler. In den runden Augen des Tieres standen Schmerz und Verzweiflung, und als Mónika es etwas zu lange musterte, zog es die Lefzen hoch und knurrte drohend. In seiner Seite steckte ein abgebrochener Pfeil.
    » Soll ich…?«, fragte sie bang.
    Der fremde Wolf schlich vorsichtig näher. Ihm war anzusehen, wie sehr er litt. Sein Fell war blutverkrustet und stumpf, Kletten und vertrocknete Blumen hingen daran. Die beiden Wölfe begrüßten sich stumm, und Mónikas Begleiter schenkte ihr einen flehenden Blick.
    Bang streckte sie die Hand aus und umfasste das zersplitterte Holz. » Das wird wehtun.«
    Am liebsten hätte Mónika nicht hingesehen, aber sie wagte nicht, sich abzuwenden. Was passierte, wenn sie versagte, wollte sie sich nicht ausmalen. Mit einem kräftigen Ruck zog sie den Pfeil heraus.
    Das verletzte Tier machte einen Satz nach vorne und brach keuchend zusammen. Mónikas Wolf leckte die Wunde, dann kehrte er zu ihr zurück und zerrte sie am Ärmel zum Wasser. Sie war so erleichtert, dass es ihr gelungen war, den Pfeil zu entfernen, dass sie keinen Widerstand mehr leistete.
    » Überredet«, murmelte sie. » Ich mache mich lieber auf den Weg.«
    Sie zog sich die Schuhe aus. Ihre Beine waren jetzt schon müde von der

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