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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Genugtuung geben, Schwäche zu zeigen.
    Ihr schönes Gesicht hing wie eine Laterne vor seinem, dann stieß sie ein wütendes Knurren aus. » Wieso verwandelt er sich nicht? Er müsste längst auf allen vieren vor mir kriechen!«
    Mattim starrte sie nur an, blickte von ihr zu Kunun, der für einen Moment sein Staunen, seinen Ärger nicht verbergen konnte.
    » Das ist wohl nicht so gelaufen, wie ihr dachtet.« Mattim konnte sich den kleinen Triumph nicht verkneifen, obwohl ihm bewusst war, dass sie ihm in ihrem Zorn etwas viel Schlimmeres antun mochten.
    » Er war bereits alles«, erkannte Farank leise. » Man kann nicht mehr dorthin zurückgehen, wo man schon einmal war.«
    » Hat er deshalb kein Licht?«, fragte Atschorek. » Ich habe eigentlich erwartet, dass der Himmel sich ein bisschen aufhellt.«
    » Nein«, sagte Kunun. » Er hat seine Seele mit seinem Mädchen geteilt, wie wir von Réka wissen. Er braucht Hanna, ohne sie gibt es kein Licht. Das hast du geahnt, nicht wahr? Deshalb wolltest du sie heute mitnehmen, in die Gefahr. Aber Hanna ist nicht in Magyria, wie man merkt. Sorgen wir also dafür, dass es so bleibt.«
    » Lass ihn gehen«, bat Farank, während Mattim benommen schwieg und nicht wusste, ob er enttäuscht oder erleichtert sein sollte. In der Tat, er sehnte sich nach dem Wolf in seiner Seele. Doch in der Gestalt eines Tieres hätte er nicht weiterkämpfen können, und er wäre für immer von Hanna getrennt gewesen.
    » Du hast mich«, flehte sein Vater. » Reicht dir das denn nicht? Mattim ist ein normaler Mensch. Du kannst ihn nicht verwandeln, und du darfst ihn nicht umbringen. Halte dich wenigstens an deine Eide, Kunun.«
    » Das hatte ich vor«, sagte der neue König von Magyria. » Ich wollte ihn am Leben lassen. Ihn bei mir behalten. Er sollte einer der Wölfe sein, die mich begleiten, die jeden meiner Siege miterleben. Es soll nicht so sein? Gut, dann eben nicht. Aus der Perspektive eines Tiers wäre manches leichter zu ertragen gewesen– ich wollte gnädig mit dir sein, Bruder. Ich weiß genau, wie gerne du ein Wolf wärst, wie sehr du den Wald vermisst und die Rudelgefährten, dass du unsere anderen beiden Brüder beneidest. Nun muss ich mir etwas anderes für dich ausdenken, und ich fürchte, es wird dir noch viel weniger gefallen.«
    » Denk dir aus, was du willst.«
    Nie im Leben würde Kunun ihn einfach so gehen lassen, Versprechen hin oder her. Es war zwecklos, ihn darum zu bitten, und Mattim wünschte, Farank hätte es gar nicht erst versucht.
    » Du hast, was du wolltest«, meinte sein Vater. » Erlaube ihm zu gehen, das ist das Einzige, worum ich dich bitte. Tu mit mir, was immer du willst, aber ich flehe dich an, lass ihn frei.«
    Es war der falsche Weg, Kunun und Atschorek daran zu erinnern, dass ihr eigener Vater sie längst aufgegeben hatte.
    » Warum?«, fragte Kunun. » Sind wir nicht eine große, glückliche Familie? Warum sollten wir einen von uns vertreiben? Du bleibst natürlich hier, kleiner Bruder, und sosehr ich mir auch gewünscht habe, dich an einer Leine hinter mir herzuschleifen… ich werde es verkraften, wenn du mit uns an einem Tisch sitzt. Wenn du mir, Tag für Tag, zu meinem Sieg gratulierst.«
    Was ist mit Hanna?, schoss es Mattim durch den Kopf. Wenn das Licht käme, sobald sie auch in Magyria ist, und Kunun das weiß … wird er sie dann töten? Oder hat er sie vergessen, und ich genüge ihm?
    Unwahrscheinlich. Kunun vergaß nie etwas. Er sammelte die Puzzlestücke ein und legte sie zusammen, zu einem Bild nach seiner Vorstellung, und was nicht passte, wurde passend zurechtgestutzt.
    Mattim wurde kalt, als er Kununs Blick auf sich spürte, wissend, freudig, die Fratze des Grauens.
    » Und du, Vater«, sagte Kunun, ohne Farank überhaupt anzusehen, » möchtest dich also für deinen Sohn opfern? Bitte sehr, wenn du es denn unbedingt willst. Du bist ein Schatten ohne Krone, ein ganz normaler Bürger dieser Stadt. Dir bleiben nicht sehr viele Möglichkeiten, um zu sterben. Willst du brennen? Ich erinnere mich daran, dass du so manchen Schatten verbrannt hast, in dieser schönen, hellen Stadt, mitleidslos, deine besten Untertanen. Es hat etwas von ausgleichender Gerechtigkeit, wenn du dich dem Feuer anvertraust, wenn du erleidest, was sie erlitten haben, jetzt, da du genauso arm dran bist wie sie. Oder wäre dir der Fluss lieber? Soll ich gnädig sein? Willst du mich anflehen, im zersetzenden Wasser des Donua vergehen zu dürfen, Opfer des Lichts?«
    » Ja«,

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