Der Traum
ausgeschlagen, die Werkstatt verschwand unter einer wunderbaren, verschwenderischen Innenausstattung. Im Hintergrund lächelte eine große vergoldete Muttergottes mit ihren purpurnen Lippen auf einem altertümlichen Tabernakel, das ihr als Piedestal diente.
»Und Sie arbeiten, Sie arbeiten!« wiederholte Angélique mit kindlicher Freude.
Sie hatte viel Spaß an dem Ofen, sie verlangte, daß Félicien ihr seine ganze Arbeit erklärte: wie er sich nach dem Beispiel der alten Meister damit begnügte, bereits in der Glasmasse gefärbte Gläser zu verwenden, die er einfach mit Schwarz schattierte; weshalb er sich an die kleinen, scharf umrissenen Figuren hielt und deren Gesten und Gewandungen hervorhob; und seine Gedanken über die Kunst des Glasmachers, die im Niedergang begriffen war, seit man begonnen hatte, das Glas zu bemalen, es zu emaillieren, weil man so besser zeichnen konnte; und seine abschließende Meinung, daß ein Kirchenfenster einzig und allein ein durchsichtiges Mosaik sein dürfe, in dem die lebhaftesten Farbtöne in der harmonischsten Anordnung verteilt seien, ein ganzer köstlicher und strahlender Farbenstrauß. Doch was kümmerte sie sich in diesem Augenblick schon um die Kunst des Glasmachers! Diese Dinge hatten für sie nur ein Interesse, nämlich daß sie von ihm kamen, daß sie Anlaß für sie waren, sich wiederum mit ihm zu beschäftigen, daß sie gleichsam eng zu ihm gehörten.
»Ach«, sagte sie, »wir werden glücklich sein! Sie werden malen, ich werde sticken.«
Er hatte wieder ihre Hände ergriffen mitten in dem weiten Raum, dessen große Pracht sie mit Wohlbehagen erfüllte und die natürliche Umgebung zu sein schien, in der ihre Anmut erblühen würde. Und beide schwiegen einen Augenblick.
Dann begann sie wieder:
»Also, es ist abgemacht?«
»Was?« fragte er lächelnd.
»Unsere Heirat.«
Er zögerte eine Sekunde. Sein sehr weißes Antlitz hatte sich jäh verfärbt.
Sie war beunruhigt darüber.
»Habe ich Sie erzürnt?«
Doch schon drückte er ihr die Hände mit einer Innigkeit, die sie ganz einhüllte.
»Es ist abgemacht. Es genügt, daß Sie etwas wünschen, damit es trotz aller Hindernisse geschehe. Mein Leben hat nur noch den einen Sinn, Ihnen zu gehorchen.«
Da strahlte sie.
»Wir werden heiraten, wir werden uns immer lieben, wir werden uns nie mehr verlassen.« Sie zweifelte nicht daran, dies würde gleich am nächsten Tag geschehen, genauso leicht wie die Wunder in der »Legenda aurea«. Es kam ihr nicht einmal in den Sinn, auch nur an das kleinste Hindernis, an die geringste Verzögerung zu denken. Da sie sich doch liebten, warum sollte man sie noch länger trennen? Man betet einander an, man heiratet, und das ist ganz einfach. Sie empfand darüber eine große, ruhige Freude.
»Abgemacht, schlagen Sie ein!« fuhr sie scherzend fort.
Er führte ihre kleine Hand an seine Lippen.
»Abgemacht!«
Und als sie aufbrach, weil sie fürchtete, vom Morgenrot überrascht zu werden, und weil sie es eilig hatte, ihrem Geheimnis ein Ende zu machen, wollte er sie zurückbegleiten.
»Nein, nein, wir würden nicht vor Tagesanbruch dasein. Ich werde meinen Weg schon finden ... Bis morgen!«
»Bis morgen!«
Félicien gehorchte, begnügte sich, Angélique nachzuschauen, und sie lief unter den dunklen Ulmen dahin, sie lief an dem von Licht gebadeten Chevrotte Bach entlang. Schon hatte sie das Gittertor des Parks hinter sich gelassen, war dann durch das hohe Gras des ClosMarie gestürmt. Während sie noch lief, dachte sie, daß sie es nie im Leben bis zum Sonnenaufgang aushalten könne und daß es das beste wäre, gleich bei den Huberts anzuklopfen, sie zu wecken und ihnen alles zu erzählen. Es war ein Überschwang des Glückes, ein Aufbegehren ihrer Freimütigkeit: sie fühlte sich unfähig, dieses so lange gehütete Geheimnis noch fünf Minuten länger zu verschweigen. Sie trat in den Garten, schloß wieder die Tür.
Und da erblickte Angélique an der Mauer der Kathedrale Hubertine, die in der Nacht auf sie wartete und auf der Steinbank unter dem dürftigen Fliederbusch saß. Ein Gefühl der Angst hatte sie geweckt, sie war nach oben gegangen, um nachzusehen, und als sie die Türen offen fand, hatte sie begriffen. Und da sie nicht wußte, wohin sie gehen sollte, und fürchtete, alles nur noch zu verschlimmern, wartete sie voller Bangen.
Sogleich warf sich Angélique ihr ohne die geringste Verlegenheit an den Hals, und das Herz hüpfte ihr vor Jubel, und sie lachte fröhlich,
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