Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
ertragen.
Als Jo weit nach Mitternacht kam, rastete Emilia aus. Sie hatte zu viel Wein getrunken und schwankte, als sie aufstand, weil sie den Schlüssel im Schloss hörte. Sie baute sich im Türrahmen zum Wohnzimmer auf und stemmte die Hände in die Hüften, um auf diese Weise mehr Halt zu finden.
„So geht das nicht weiter. So groß bist du noch nicht. Du hast vor zwölf zu Hause zu sein!“
Emilia brüllte wie ein Bauarbeiter. Das ganze schlafende Haus musste davon wach werden. Jo blieb ruhig und musterte Emilia mit einem abschätzenden Blick.
„Hör auf. Du bist peinlich und betrunken!“
Emilia schnappte nach Luft.
„Was bin ich? Ich bin peinlich?“
Jos Gelassenheit machte Emilia noch wütender. Er sollte bloß nicht so tun, als wenn er der Erwachsene wäre. Sie war die Erwachsene, auch wenn sie betrunken war und er nicht, auch wenn er eine harmonische Liebesbeziehung hatte und sie nicht. Er war noch ein Kind!
„Schrei nicht so rum!“, zischte Jo und zog Emilia in die Wohnstube.
„Ich hab aber allen Grund dazu!“
„Ich scheine aber nicht der einzige zu sein, so blau wie du bist.“
Jo zischte verächtlich durch die Zähne.
„Weißt du was? Du kannst zu Marleen ziehen, und zwar sofort! Los! Raus!“
Sie versuchte Jo wieder Richtung Tür zu schupsen. Doch Jo bewegte sich keinen Zentimeter. Immerhin war er inzwischen einen Kopf größer und einige Zentimeter breiter als Emilia.
„Man, Mama, ich will mich nicht streiten.“ Seine Stimme klang auf einmal gebrechlich und Mama hatte er schon seit einer Weile nicht mehr gesagt. Emilia registrierte erschrocken, dass Jo Tränen in den Augen hatte. Emilia hatte Jo noch nie so angeschrien und Jo hatte nicht mehr geweint, seit er ein kleiner Junge war.
„Was ist denn los?“, fragte sie plötzlich ganz sanft.
„Mit Marleen ist Schluss.“
„Was?“
„Hat n Andern. Hat mich beschissen, weißt du. War nur mal so „probieren“, erklärte sie mir, die blöde Kuh, und wollte dann zu mir zurück. Aber das mach ich nicht mit. Sowas nicht, nein!“
Jo liefen Tränen über die Wangen. Er schniefte und zuckte mit dem Kopf zurück, als könnte er den Tränen auf die Art ausweichen. Emilia stürzte sich in seinen Arm, wollte ihn halten, aber hielt sich gleichzeitig selber fest und fing an zu heulen wie ein Schlosshund.
„Ach, das tut mir so leid, so leid, so leid, so leid …“
„Ja, ist ja gut. Sie war eben nicht die Richtige. Punkt.“
„Aber, sie war doch …“
„Kein Aber. Sie war nicht die Richtige!“
Emilia nickte an Jos Schulter und schluchzte weiter.
„Und du? Wegen Erik?“
„Ach, nein … Aber Bernhard, der hat ne Neue, schon seit er das erste Mal in Kassel war … dieses Schwein.“
„Er war nicht der Richtige“, stellte Jo fest und brachte sie zum Sofa. Nach Emilias bruchstückhaftem Bericht vom Donnerstag resümierte er:
„Gut, dass der eine Neue hat, zu Marleen hätte ich ja jetzt nicht mehr ziehen können.“ Er versuchte ein Lächeln. Emilia versuchte es auch.
„Wir schaffen das schon. Wir haben doch uns.“ Jo zog eine Packung Taschentücher heraus und verteilte sie gerecht, jeder drei.
Emilia faltete eins auf und putzte sich die Nase. Sie bereute es zutiefst, dass sie Jo kurz gehasst hatte für seine glückliche Beziehung. Das war kleinlisch, egoistisch und gemein gewesen. Wie konnte sie nur so herunterkommen? Sie seufzte tief und drückte Jos Hand.
„Ja, wir haben doch uns.“
Während Jo sich gleich ab dem nächsten Tag mit einer Menge Unternehmungen zusammen mit seinen Freunden ablenkte, blieb Emilia auf dem Balkonsessel sitzen. Sie behielt den Bademantel an. Es war nicht der Mühe wert, sich jeden Tag was Neues anzuziehen. Emilia verstand auf einmal nicht mehr, warum die Menschen damit überhaupt ihre Zeit verschwendeten. Sie duschte hin und wieder, wenn ihr im Bett zu warm geworden war und ließ Jo einkaufen gehen. Sie bestellte sich zwei große Kisten Wein bei einem Online-Weinhandel. Über Onlinebanking schaufelte sie sich ohne schlechtes Gewissen tausend Euro von Bernhards Konto auf ihr Konto. Sie staunte, dass es noch nicht gesperrt war. Bernhard holte das drei Tage später nach, aber kontaktierte Emilia nicht wegen der tausend Euro. Das war fast noch schmerzhafter, als wenn er Ärger gemacht hätte. An dem Tag fing Emilia an, bereits mittags ein Glas Wein zu trinken. Wurde sie zur Alkoholikerin? Und wenn schon. Hilda und Claudia riefen abwechselnd an. Emilia war ganz ruhig am Telefon. Ja, ihr
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