Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
und drehte den Wasserhahn voll auf. Wohlig ran das heiße Wasser über ihre ausgekühlten Glieder und hüllte sie ein in eine Wolke aus Dampf. Alles schien das Wasser abzuwaschen, die Kälte, die Anspannung, die Leere, das Alter, die Zweifel, die Angst. Angst vor allem Möglichen: Vor der Zukunft, der Unberechenbarkeit des Lebens, den zukünftigen Fehlern von Jo, aber vor allem vor Bernhard. Emilia fühlte sich wie bei einer Taufe. Jeder Makel verschwand mit dem reinigenden Wasser im Ablauf der Dusche und hervor kam die wahre Emilia, die unantastbar vor Bernhard treten und genau wissen würde, was sie ihm zu sagen hatte, ohne eine Kerbe von Unsicherheit, in die er sich krallen konnte.
Am Haken hing noch ihr altes blaues Kleid. Sie band sich die nassen Haare unter ein Handtuch und schlüpfte hinein.
In der Küche stand tatsächlich ein dampfender Tee auf dem Küchentisch und Bernhard saß mit einem Bier daneben.
„Ich habe Pfefferminztee gemacht, ich wusste ja nicht, welche Sorte. Du weißt doch, ich koche nie Tee.“
„Das hast du sehr gut gemacht.“ Emilia holte sich Honig aus dem Schrank und ließ einen großen Löffel voll in die Tasse laufen.
Bernhard rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Irgendwie verlief das Gespräch sehr ungewohnt. Er räusperte sich:
„Also, ich habe vielleicht ein bisschen überreagiert, aber deshalb muss man ja nicht gleich….“
„Nein, nein, schon gut. Du konntest ja nicht wissen, was ich vorhabe. Du hast doch bestimmt schon gemerkt, dass wir die Wohnstube eigentlich gar nicht brauchen. Deshalb dachte ich, ich richte mir dort mein eigenes Zimmer ein. Ich meine, Du hast eins und Jo und da ist es doch nur recht, wenn ich…“
„Wie, was…was soll das denn jetzt? Unsere Wohnstube soll dein Zimmer werden?“
„Ja. Den Fernseher kannst du natürlich haben, wenn es dir um den großen Bildschirm geht. Ich schau ja nie fern und Jo guckt die meisten Filme sowieso an seinem PC.“
„Also, Momentmal, wozu brauchst du denn ein eigenes Zimmer? Das ist doch völliger Quatsch. Du machst doch den Haushalt und bist überall und…“
„Ich bin ein Mensch, der auch seinen Raum für sich braucht. Ich werde dort nicht nur einen eigenen Platz für mein Laptop haben und zeichnen, ich werde…“
„Zum Emailschreiben braucht man doch keinen eigenen Platz und schon gar nicht für Telefonkritzeleien, komm Emilia, jetzt….“
Emilia tat so, als würde sie Bernhards Einwurf überhören und erhob die Stimme, um ihren Satz ruhig, aber mit Nachdruck zu Ende zu bringen:
„ … Ich werde dort ab jetzt auch schlafen!“
Bernhard zog die Luft scharf durch seine Nase ein und hielt es auf dem Stuhl nicht mehr aus. Er erhob sich mit großer Geste, steckte die Hände in die Hosentaschen, drückte seinen Bauch dabei unvorteilhaft vor und warf einen oberlehrerhaften Blick auf Emilia, als wäre sie eine dümmliche Schülerin, die ihn versuchte, mit leicht durchschaubaren Tricks reinzulegen:
„Hat dir Hilda wieder diesen Emanzen-Quatsch aus dem vorigen Jahrhundert eingeredet? Wahrscheinlich ist auch die Farbe auf ihrem Mist gewachsen. Und, außerdem, meine Liebe, treib es jetzt nicht zu weit, man kann den Bogen auch überspannen und seine ganze Beziehung aufs Spiel setzen.“
Emilia stand auch auf. Was Bernhard konnte, konnte sie schon lange.
„Unsere Beziehung steht doch schon seit einer ganzen Weile auf dem Spiel. Ich schlafe ab heute eine Weile im Wohnzimmer. Psychologen sagen, dass man getrennt schläft, wenn man seinen Partner wirklich liebt, weil man sich nur so einen erholsamen Schlaf gönnt. Du kannst es aber auch gern Beziehungspause nennen, wenn du willst.“
Emilia ging zum Kühlschrank und nahm sich ein Bier heraus. Bier hatte sie vielleicht vor zehn Jahren das letzte Mal getrunken, aber jetzt war ihr einfach danach. Der Kronverschluss flog beim Öffnen durch die ganze Küche, genau vor Bernhards Füße.
„Beziehungspause… Beziehungspause….“ Man merkte, wie Bernhard an diesem großen sperrigen Wort kaute und es nicht hinunter bekam. Er bückte sich sogar und hob den Verschluss auf. Er war ganz durcheinander.
„Du weißt doch nicht, was du redest!“ Bernhard legte das Blechstück nicht wütend und mit Nachdruck, sondern ganz behutsam auf den Tisch, als wäre es aus feinem Porzellan. In seinem Tonfall klang plötzlich Unsicherheit mit. Unsicherheit bei Bernhard? Emilia musste sich ein Grinsen verkneifen.
„Gute Nacht“, sagte sie und verschwand in ihrem
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