Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
Emilia legte einfach auf. Die Frau tat ihr leid. Bis eben hatte Emilia den Gedanken ganz gut weggeschoben, dass da jetzt eine kaputte Familie war, Kinder, die zurückblieben und damit klarkommen mussten. Ein Bruch, den man nicht mehr ungeschehen machen konnte. Etwas, was sie selbst schon erlebt hatte. Bestimmt dachte Frau Jareis nach dem Anruf, dass Miguel die Trennung nicht schnell genug vollziehen konnte, dabei war das in Wirklichkeit vielleicht gar nicht so.
Okay, Emilia hatte mit einem Satz herausgefunden, was sie wissen wollte. Ihr Herz hatte einen Freudensprung gemacht. Getrennt! Wow. Tatsächlich. Gleichzeitig hatte sie ein schlechtes Gewissen, auf der Basis einer ernsten Krise von anderen einfach happy zu sein. Aber sie konnte nicht anders. Neues Glück wurde oft auf altem Unglück aufgebaut. Nur Emilia wusste zu früh, viel zu viel und rührte dadurch in etwas herum, worin sie nicht herumrühren sollte. Sie rief noch mal bei Frau Jareis an, entschuldigte sich für die plötzliche Störung in der Leitung und versicherte, dass noch kein Herr Weingarten angerufen hatte, es stattdessen nur um ein Angebot ging, in einen günstigeren Tarif zu wechseln. Jetzt wollte Frau Jareis allerdings, dass der Vertrag für den Anschluss auf ihren Namen umgeschrieben wurde. Emilia fiel nichts Besseres ein, als Frau Jareis angeblich mit der entsprechenden Abteilung zu verbinden und dann legte sie wieder auf. Mehr konnte sie für Frau Jareis nicht tun, ihrer Vorgängerin, der Frau, mit der Miguel bereits ein langes, gemeinsames Leben geführt hatte. Das war ein komisches Gefühl. Man sammelte Vergangenheit an. Man konnte sie nicht mehr loswerden. Man nahm sie mit, in jede Zukunft. Emilia schüttelte sich bei dem Gedanken. Wollte sie so einen Zukünftigen mit so viel Vergangenheit wirklich haben? Aber das würde bei jedem so sein, wenn sie sich nicht doch noch für einen Zwanzigjährigen entschied, der dann wiederum mit Emilias Reisetasche voller Vergangenheit Probleme haben könnte.
Und wie ging es Miguel mit allem? Sicher, über die Trennung von seinen Kindern war er unglücklich. Das wusste sie schon. Aber sonst? Wer hatte sich von wem getrennt? War er eher unglücklich oder fühlte er sich einfach nur befreit? Wenn sie das nur wüsste…
Emilia begann, den Haushalt auf Vordermann zu bringen. Heute war Montag, Jo in der Schule und Bernhard hatte sie noch nicht gesehen, er musste schon um sieben zu seinem Montagsmeeting gegangen sein, ungewöhnlich früh. Emilia wischte die Krümel vom Küchentisch, aber irgendwie wollte der Lappen nicht richtig in ihrer Hand liegen. Sie nahm den Besen, der sich in seiner Ecke sträubte. Sie hatte das Gefühl, als ginge sie das alles gar nichts mehr an. Sie war ganz kribbelig. Sie musste raus, irgendwohin. Sie saugte nur einmal unmotiviert durch den Flur. Dann ließ sie das Aufräumen bleiben. Sie holte ihren Lieblingsrock mit den kleinen bunten Blumen hervor, der seit vorigem Jahr etwas eng war und staunte, dass er wieder passte. Hatte sie etwa abgenommen? Das war immer ein gutes Zeichen. Wenn sie trotz nicht unerheblichen Mengen von Schokolade Pfunde verlor, dann ging es ihr gut. Und es ging ihr wirklich gut. Nur, ob sie wirklich Schluss machen sollte mit Bernhard, da war sie sich nicht ganz sicher. Vielleicht ja doch erst mal das Treffen mit Miguel abwarten. Sie hatte das bestimmte Gefühl, es würde ihr bald passieren. Trotzdem konnte es nichts schaden, seine neue Adresse herauszufinden.
Aber als erstes wollte sie in den Künstlerbedarf radeln und sich ihren italienischen Lieblingszeichenkarton von Fabriano und dazu ein paar neue leuchtende Polychromos-Buntstifte gönnen. Am besten gleich einen weißen Bilderrahmen dazu, für die Wand über ihrem Sofa. Ein richtiges kleines Kunstwerk schaffen, das hatte sie schon lange nicht mehr gemacht.
Emilia saß an ihrem Tisch, der früher der Tisch des Wohnzimmers war und malte auf einen A3 Bogen alle schönen Dinge, die ihr so einfielen: Sonnen, Sterne, Häuser, Blumen, Tomaten, Äpfel, Eis – bunt und wild durcheinander fliegend. Sie wollte ein leichtes und fröhliches Bild über ihrem Bett. Die letzten Jahre hatte sie nur mit ihrer Feder ins Notizbuch gekritzelt, wenn ihr irgendwelche symbolischen Bilder in bestimmten Situationen kamen, die sie einfach aufmalen musste. Sie hatte ganz vergessen, wie viel Spaß es machte, mit Farbe zu experimentieren. Mit ihren Buntstift-Bildern hatte sie damals einen der begehrten Ausbildungsplätze zur
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