Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
Sie hatte sich das Ganze angesehen. Sie hatte keine Chance. Alles würde so bleiben, wie es war. Emilia konnte warten. Auf die Zukunft. Irgendeine Zukunft. War Geduld nicht eine der ganz großen Tugenden? Vielleicht ging es einfach um Geduld. Niemand (außer Hilda) verlangte von ihr, irgendwas zu übereilen. Manche Sachen konnte man nur aussitzen . Alles war eine Frage der Zeit. Deswegen war man auch nicht für immer ein schlechtes Beispiel, oder?! Nein. Große Veränderungen begannen immer mit kleinen. Emilia spazierte durch ihre Wohnung und rieb sich die Hände. Sie wusste jetzt, was sie machen würde: ein bisschen Frische reinbringen in die Gegenwart. Das Wohnzimmer neu streichen und umräumen. Bernhard hatte es sogar vorgeschlagen. Und er hatte recht: Die Wohnung gestalten hatte ihr in Krisenzeiten immer gut getan und das Wohnzimmer mit den vergrauten, weißen Wänden hatte es seit einer Weile bitternötig.
Sie zog sich ihr rotes Kleid an und fuhr damit nicht in den Schlosspark, sondern in den Baumarkt. Vor den Farbkarten mit verschiedenen Beige-und Ockertönen in der Abteilung für Farben und Lacke verbrachte sie mindestens eine halbe Stunde, bis sich ein Mitarbeiter zu ihr gesellte:
„Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“
„Äh, ja, nein, ich muss mich nur für eine Wohnzimmerfarbe entscheiden.“
„Welche Farbe haben denn ihre Möbel?“
„Naja, das Sofa ist weiß, die Regale auch, der Tisch, so‘n heller Holztisch, schon etwas älter…“ Und dann sah Emilia das neue Wohnzimmer plötzlich vor sich: weiße Möbel vor roten Wänden, rundherum, konsequent, mit goldbestickter Borte über den Türrahmen und Regalen, und auf dem Tisch, den sie auch weiß lackieren würde, ein Strauß altenglischer weißer Rosen mit einem Hauch von Rosa. Das war verrückt und es war nicht auszudenken, was Bernhard dazu sagen würde. Aber jemand in ihr, dem das schnurz-piep-egal zu sein schien, hatte längst entschieden und hielt dem Mitarbeiter eine Farbkarte mit intensivem Krapplack unter die Nase:
„Davon bitte 15 Liter, mit der Farbe, die am besten deckt.“
Emilia traf Bernhard beim Tiefkühlpizza-Essen in der Küche und verkündete:
„Ich streiche das Wohnzimmer.“ Bernhard nickte. Diesmal war es sein Pech, dass er sich nie näher für das interessierte, was Emilia tat. Er fragte nicht nach der Farbe und er bot auch nicht an, die Möbel von den Wänden abzurücken. Er kam bis Sonntagabend nicht in das Wohnzimmer aus Angst, mit anpacken zu müssen. Emilia kannte das bereits von Bernhard, deshalb war sie sich sicher, in Frieden ihren Plan durchziehen zu können.
Jo kam Sonntagabend wieder und half die Regale einräumen. Er fand das Zimmer total cool und war ziemlich gut drauf. Er erzählte vom Angeln und einem Riesenhecht und vom Lagerfeuer und Boot fahren, aber nichts von Mädchen und Emilia beließ es dabei. Abends musste er trotzdem noch mal weg, zu Anton, irgendwas wegen dem beginnenden neuen Schuljahr am nächsten Tag. Und dann platzte die Bombe. Bernhard hatte die letzten Aufräumarbeiten beobachtet und betrat das Wohnzimmer, um sich zu erkundigen, ob der Fernseher wieder in Betrieb sei. Emilia tauschte die zu kleine Vase für die Rosen gerade gegen eine größere aus.
Bernhard blieb mitten im Raum stehen und starrte Emilia an.
„Den Tisch lackiere ich nächste Woche noch weiß und dann ist alles perfekt!“, erklärte Emilia, um schnell irgendwas zu sagen.
„Sag mal, bist du von allen guten Geistern verlassen? Willst du hier einen Puff eröffnen?“
Emilia gab sich unbekümmert.
„Wieso, dass wirkt doch frisch, neu und lebendig und wenn die Möbel dann noch alle weiß sind…“
Bernhard verzog sein Gesicht, weil Emilia den Ernst der Lage wohl nicht zu begreifen schien und fing an zu schreien:
„Nichts wirst du! Du bringst das umgehend wieder in Ordnung! Und zwar von Deinem Geld! Das ganze hier ist einfach nur peinlich! Wie soll ich in so eine Bumshöhle meine Kollegen einladen? Und von draußen durch die Fenster sieht man das auch! Ich kann‘s einfach nicht fassen! Was ist nur in dich gefahren?“
„Aber…“
Emilia fand keine Worte. Klar, hatte sie eingeplant, dass Bernhard das nicht recht gefallen könnte, aber dass er so ausflippen würde…
„Mein Gott, Emilia, so malen fünfzehnjährige ihre Zimmer an, um ihre Eltern zu ärgern … ansonsten nur Verrückte! VERRÜCKTE! Ist dir das klar? Oder ist dir überhaupt nichts mehr klar, hm?“
Bernhard fuchtelte mit den Händen und
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