Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
da eigentlich?“, unterbrach Bernhard ihre deprimierenden Erkenntnisse und sah sich Emilias Skizzen an.
„Das soll ein Bild werden für …“
„Ziemlich kindlich. Na, Hauptsache, es tut dir gut.“
„Ich geh jetzt einkaufen.“
„Okay. Vergiss das Bier diesmal nicht.“
Emilia würde das Bier vergessen. Darin bestand kein Zweifel.
Emilia irrte durch das Einkaufscenter. Sie ging in einen Laden nach dem anderen, sogar in den Games Shop und blätterte das Prospekt mit den neuesten Ego-Shootern durch, nur um Zeit zu gewinnen. Sie fühlte sich von der Leine gelassen, kannte ihr Ziel, aber wusste trotzdem nicht, wo sie hinlaufen sollte. Das Ziel war klar definiert, irgendwie viel näher gerückt, aber trotzdem noch nicht zu sehen. Und das machte sie schwankend. Emilia kam sich ziemlich dumm vor, als wäre sie nicht in der Lage, um wenigstens eine Ecke zu denken, wo doch das Ziel bereits warten musste. Warten… Vielleicht musste sie doch etwas tun? Was wäre es für eine große Erleichterung, wenn die Philosophie endlich die Frage klären könnte, ob das Schicksal determiniert war oder ob es ganz von einem selbst abhing?
Wie auch immer. Emilia musste herausfinden, wo Miguel wohnte. Heute noch! Sie ließ sich von einer Verkäuferin in das Douglas-Geschäft locken und Make-up und krapproten Lippenstift an sich ausprobieren, obwohl sie nie Make-up benutzte und immer nur den gleichen Lippenstift in einem bestimmten Braunton kaufte. Sie betrachtete sich im Spiegel und sah anders aus. Der Verkäuferin machte das Anmalen sichtlich Spaß. Sie nahm einen anderen Kajalstift, um die Augen tiefer liegend zu machen. Emilia fühlte sich plötzlich nicht mehr so naiv, sondern viel eigenwilliger, auch wenn ihre Augen von der ungewohnten Behandlung zu tränen begannen. Sie kaufte alles, Make-up, Lippenstift, Kajalstift und sogar den kleinen Spiegel. Solche Kleinigkeiten halfen vielleicht doch, ein anderer Mensch zu werden. Sie ging nebenan in den Esprit. Da hatte sie vorhin ein blaues Kleid aus Leinen gesehen, mit einem viereckigen Ausschnitt, weiß umsäumt und ausgestelltem Rock bis zu den Knien. Es passte wie angegossen. Emilia behielt es gleich an. Drei Kilo weniger machten das Einkaufen viel leichter, weil sie dann nicht immer knapp an Größe 38 vorbeischrammte, während Größe 40 zu groß blieb und weil die BHs dann eindeutig Größe B hatten und nicht irgendwas zwischen B und C. Die Augen hörten nicht auf zu tränen. Fast im Vorbeigehen griff Emilia eine perfekt sitzende Sonnenbrille von einem Brillenständer, der vor dem Optiker stand. Okay, sie fühlte sich besser. Sie war eben doch eine ganz normale Frau, bei der Einkaufen half. Seit sie Miguel kannte, kaufte sie immer im Kaufland ein und hatte sich an die Größe langsam gewöhnt. Sie ergatterte einen Korb und räumte ihn voll.
Als sie die langen Gatter zu den Kassen am Ende wieder freigaben, war sie bepackt mit einem großen Rucksack und zwei schweren Umhängetaschen. Sollte sie sich im Untergeschoss noch neue Blumen für ihr Zimmer holen oder sollte sie es bleiben lassen? Sie hatte vergessen, dass ihr Bernhard gerade frische geschenkt hatte. Was man behielt, was man anders erinnerte oder was man vergaß - das waren die Schrauben, wo das Schicksal wohl gerne mit dran drehte. Emilia entschied sich, dass Rolltreppe nach unten Fahren mit den Taschen nicht zu schwer war, setzte die Beutel auf den Stufen ab und schob die Sonnenbrille hoch, um sich die tränenden Augen zu reiben. Dabei geschah es: Durch einen Schleier von Tränenflüssigkeit sah sie verschwommen eine vertraute Gestalt. Sie rieb sich noch einmal die Augen. Tatsächlich. Der Mann, der da vorne an der Theaterkasse stand, war kein geringerer als Miguel. Emilia setzte die Sonnenbrille wieder auf, schnappte sich ihre Taschen und eilte zum Ticketstand, um einer Frau zuvor zu kommen, die sich gerade hinter Miguel anstellen wollte. Die Frau verzog das Gesicht, ließ Emilia aber den Vortritt.
Leicht außer Atem stand Emilia endlich neben Miguel. Es war so weit. Der Moment war gekommen. Fast schneller, als Emilia zu hoffen gewagt hatte. Emilia hatte es gewusst! Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als wollte es unter allen Umständen in die Freiheit. Emilia schluckte und schluckte und sah an sich hinunter. Ihr neues Outfit war durch Rucksack und Taschen völlig entstellt. Und die Sonnenbrille konnte sie auch nicht abnehmen. Bestimmt waren ihre Augen schon ganz rot. Auch wenn zur Wesenhaftigkeit des Schicksals
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