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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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nicht daran denken.
    Zögernd suchte er nach den Bildern in seinem Hirn.
    Schwarz.
    Er hatte im Bett gelegen. Winter.
    Die Bilder. Langsam. Müde fluteten sie über ihn hinweg, |389| unregelmäßig und verwirrend. Es war spätnachts, er lag im Bett, er erinnerte sich, langsam erinnerte er sich sogar an den
     Geschmack in seinem Mund, das Gewicht der Laken, die Traumwelt, er besuchte seine Frau im Grenzreich der Toten, ihr Lachen,
     ihre Laute. Ein Telefon klingelte und beorderte Captain Joubert nach Parow in den kalten, feuchten Nordwestwind.
    Ein Haus mit Zementmauern, einem Gartentor und einem Weg, der zwischen den Blumenbeeten hindurchführte, und einem kleinen
     Springbrunnen in der Mitte des Rasens. Die blauen Lichter flackerten auf der Straße; die Nachbarn standen in Bademänteln im
     Kalten und starrten neugierig; der uniformierte Polizist sagte ihm, der Mann sei drinnen, er habe seine Frau erschossen und
     wolle nicht herauskommen. Die Nachbarn hatten die Schüsse gehört und geklopft, und dann hatte er auf sie geschossen und geschrien
     und gesagt, heute nacht würde er sie alle zur Hölle fahren lassen. Die Wange des Nachbarn blutete von einem Glassplitter aus
     dem Wohnzimmerfenster.
    Joubert trat vor die Haustür, der Sergeant der Mordkommission hatte gerufen: »Nein, Captain, nicht vor die Tür.« Nach den
     Regeln mußte er sich an die Wand pressen, aber Joubert kümmerten die Regeln einen Dreck. »Ich bin unbewaffnet, ich komme rein,
     ich lege meine Dienstwaffe auf die Stufen, ich öffne die Tür und komme hinein.«
    »Nein, Captain, großer Gott, er ist verrückt.«
    Er hatte die Tür hinter sich geschlossen, man konnte den Wind noch im Haus hören.
    »Bist du verrückt?« Die große .375 Magnum zeigte auf ihn, der Mann im Flur war praktisch wahnsinnig, panisch. »Ich lege euch
     alle um.«
    |390| Er blieb stehen, wo er war, und sah den Mann an; er zwinkerte nicht einmal, er wartete nur darauf, daß das Blei in sein Hirn
     eindrang und den Vorhang fallen ließ. »Du bist wahnsinnig, verschwinde.« Der Mann spie Speichel, seine Augen waren die eines
     Tieres, sein großer Revolver zitterte. Er rührte sich nicht, er stand einfach nur da, starrte ihn an, er hatte mit der Sache
     nichts zu tun.
    »Wo ist sie?« fragte er mit eiskalter Stimme.
    »In der Küche. Die Hure. Sie ist tot, die Hure. Ich habe sie umgebracht. Heute nacht werde ich euch alle umlegen.« Er zielte
     weiter genau auf ihn, er atmete hastig, seine Brust bebte, sein Körper zitterte.
    »Warum?«
    Ein Laut – Schluchzen, Weinen und Abscheu ineinander vermischt; die Waffe sank ein paar Millimeter herunter; der Mann schloß
     die Augen, öffnete sie wieder.
    »Umlegen …«
    Wind und Regen an den Fenstern, auf dem rostigen Eisendach; ein leises Rascheln an den Wänden, die Schatten im Wind zuckender
     Äste. Der Mann lehnte sich in Richtung der Wand, er hielt den Revolver immer noch hoch, seine Schulter berührte die Wand,
     dann wieder ein Laut, ein weiteres, langgezogenes Jaulen. Der Mann sank zu Boden, er beugte die Beine, er konnte nichts mehr
     sehen, er war nur noch ein kniendes Bündel, er saß da, legte den Arm auf ein Knie, seine Hand löste sich von der Waffe, ein
     Geräusch wie der Wind, so unheimlich wie ein Blick in seine eigene Seele.
    Er atmete langsamer.
    »Was sollte ich machen?«
    Er schluchzte. »Was sollte ich machen? Sie wollte mich nicht mehr. Was sollte ich machen?«
    |391| Seine Schultern zitterten krampfartig.
    »Sie gehört mir.« Wie ein Kind. Mit hoher Jammerstimme.
    Dann eine Stille, länger und länger.
    »Sie hat zu ihm gesagt: ›Du weißt, daß ich dir gehöre.‹ Ich stand da – sie wußte es nicht … Ich stand da und habe sie sagen
     gehört: ›Nur dir.‹« Die letzten Worte wieder ein Schrei, die Stimme sprang eine Oktave hinauf, verständnislos.
    »›Du weißt schon. So wie letzte Nacht‹, sagte sie. Da habe ich sie geschlagen, und sie ist davongelaufen. Erst ins Bad …«
     Er schaute verzweifelt auf. »Ich weiß nicht einmal, wer er war.« Keine Reaktion.
    »Was soll ich machen?«
    Er stand im Flur, der Mann lag halb, halb saß er an der Wand. Der Revolver ruhte neben seinem Bein. Jemand draußen rief: »Captain,
     Captain!« Dann wieder Stille, nur der Wind und der Regen und das Schluchzen, nun sanft und gleichmäßig. Der Mann schaute auf
     die Waffe.
    Dann die Idee einer Möglichkeit, eines Auswegs, einer Lösung. Denk darüber nach, überlege, was es dich kostet, die Zukunft.
    Eine

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