Der Traurige Polizist
was sie dort tat. Sie hat gelacht und gesagt, sie
sei undercover. Aber als was? Das dürfte sie mir nicht sagen. Nicht einmal mir. Dann schlief sie wie ein Kind mit einem harmlosen
Geheimnis. Vielleicht habe ich etwas übersehen. Vielleicht hätte ich aufmerksamer sein müssen. Wenn ich nur mehr Fragen gestellt
hätte, wenn ich nicht so sehr mit mir beschäftigt gewesen wäre, wenn ich nicht so beeindruckt von meiner eigenen Arbeit gewesen
wäre.«
Sein höhnisches Lachen richtete sich gegen ihn selbst, war eigentlich ein Schluchzen. Daraus zog er den Mut, den nächsten
Schritt zu tun, selbst wenn das lange, dünne Drahtseil über dem Abgrund schwankte.
»Ich dachte, wenn ich auch bloß Drogenspielchen für die Sanab durchführte, könnte ich auch schlafen. Ich war so arrogant.
In der Nacht, neben Lara, wälzte ich mich hin und her, und ich war so arrogant.«
Margaret Wallace streckte ihre Hand nach ihm aus, legte sie auf seinen Unterarm. Einen Augenblick war das sein Rettungsring.
Dann zog er seinen Arm weg. Er mußte die andere Seite alleine erreichen. Er unterdrückte die Gefühle, das Selbstmitleid, das
Schluchzen.
»Ich war so selbstzufrieden.« Als erklärte das, warum er ihre Hand nicht verdiente.
»Es ist eigenartig«, sagte er, beinahe erstaunt. »Wir leben nur in unseren eigenen Köpfen. Wie Gefangene. Obwohl unsere Augen
nach draußen schauen, leben wir nur dort drinnen, in diesem knochigen Schädel. Wir wissen nichts wirklich. Wir leben mit anderen
Menschen, jeden Tag, und wir glauben, wir |408| kennen sie, weil wir sie sehen können. Und wir glauben, sie kennen uns, weil sie uns sehen können. Aber niemand kennt irgend
jemanden. Ich war so zufrieden, in meinem Kopf, mit meiner Aufgabe, ich war so wichtig. Ein Saubermann.«
Er schnitt im Dunkeln eine Grimasse, bemerkte es aber nicht. Seine Hände zitterten immer noch, sie hingen einfach herunter.
»Das ist das Problem, wenn man nicht aus seinem eigenen Kopf rauskommt. Man glaubt, man wäre so sauber. Denn Silva war so
ein Dreckskerl. Wir denken bloß in Schwarz und Weiß. Silva war ein Mörder, schmutzig und schwarz wie die Sünde. Und ich war
das saubere, weiße Licht der Gerechtigkeit. Und sie haben mich noch ermutigt. Schnapp ihn dir! Sie haben mich in helles Licht
getaucht. Schnapp dir Silva wegen der Mädchen, der beiden Frauen, die er auf eine Müllkippe geworfen hatte wie Abfall! Schnapp
ihn dir wegen des Bullen von der Mordkommission mit dem Loch in der Stirn! Schnapp ihn dir wegen der Drogen, wegen seiner
Unverwundbarkeit, wegen seiner dreckigen schwarzen Seele!«
Joubert schaute zurück und sah, daß er auf dem dünnen Drahtseil vorangekommen war.
Er versuchte einen größeren Schritt.
»Es ist verboten, Leute abzuhören. Wir dürfen das nicht. Aber wenn man sauber ist, dann hat man Macht. Ich habe die Geräte
in der Voortrekker Road von einem dicken Privatdetektiv mit einem roten Gesicht geliehen und bin nach Clifton gefahren und
habe gewartet, an jenem Morgen, bis es ganz sicher war. So ein schöner Morgen, ohne Wind und Wolken, in Silvas Wohnung, von
der aus man über das Meer schauen konnte. Auf dem Balkon stand ein Teleskop. Alles war so weiß. Und teuer. Ich hatte Angst,
das muß ich zugeben. Ich |409| beeilte mich. Natürlich vergleicht man, während man die kleinen Mikrofone versteckt. Man denkt daran, wie man selber lebt,
und man schaut sich an, was man mit Geld kaufen kann. Eins am Teleskop, eins an der kleinen Bar, eins neben dem Bett, eins
im Telefon. Und 250 Rand von meinem eigenen Geld für den Hausmeister, damit ich Empfänger und Recorder im Keller bei den Sicherungen
anschließen konnte.«
Er schaute nicht nach vorn, denn er wußte instinktiv, daß der Draht schwingen würde, das Seil vor ihm würde fadendünn werden,
und jetzt wollte er zurück. Er ging schneller, er löschte seine Angst mit Worten aus.
»Lara kam in jener Nacht nicht heim. Ich rief bei Sanab an. Sie sagten, sie arbeite. Was denn? ›Sie wissen, daß wir Ihnen
das nicht sagen können.‹ Es ist doch meine Frau. ›Sie ist undercover, Joubert. Sie wissen doch, wie es ist.‹ Dann ging ich
durchs Haus und roch sie, ich sah die Zeitschriften im Wohnzimmer, neben ihrem Bett. Ich dachte an meinen Plan, an die Mikrofone
und den Recorder, und ich fragte mich, ob das kleine Band sich drehte. Ich schlief schlecht – es war eine lange Nacht und
ein langer Morgen. Dann fuhr ich wieder nach Clifton, und
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