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Der Triumph des 19. Jahrhunderts

Der Triumph des 19. Jahrhunderts

Titel: Der Triumph des 19. Jahrhunderts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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mich auch nur sanft berühren wollen, aber freilich mit einer Hand, die nur gewöhnt war, Renthiere anzufassen!«
    Die Reisenden waren auch Zeugen der Gewandtheit eines Tschuktschen, der den Chamanen oder Zauberer spielte. Dieser schlüpfte hinter einen Vorhang; bald ließ sich von da aus eine Stimme, mehr ein Geheul hören, wozu mit einem Stück Fischbein auf eine kleine Trommel geschlagen wurde. Als der Vorhang sich erhob. sah man den Zauberer hin und her schwanken und bemüht seine Stimme ebenso wie die Schläge auf die dicht neben das Ohr gehaltene Trommel zu verstärken. Nach kurzer Zeit warf er seinen Pelz ab und kleidete sich bis zum Gürtel nackt aus, darauf ergriff er einen Stein, ließ ihn Lütke halten, nahm denselben dann zurück, und während er scheinbar nur eine Hand über die andere gleiten ließ, war der Stein verschwunden. Da wies er auf eine Anschwellung am Ellbogen und gab vor, daß der Stein sich daselbst befand; drängte jene Geschwulst dann bis nach der Seite des Körpers und nahm den Stein hier scheinbar wieder heraus, während er dem Unternehmen der Russen einen günstigen Fortgang weissagte.
    Man beglückwünschte den Hexenmeister wegen seiner Geschicklichkeit und machte ihm als Dank, ein Messer zum Geschenk. Er nahm dasselbe, zog die Zunge hervor und begann dieselbe abzuschneiden. Sein Mund füllte sich mit Blut… nachdem er die Zunge völlig durchschnitten, zeigte er das Stück davon in der Hand. Da fiel der Vorhang, offenbar reichte die Fertigkeit des Tausendkünstlers nicht weiter.
    Unter der allgemeinen Bezeichnung Tschuktschen versteht man ein Volk, das den äußersten Nordosten von Asien bewohnt. Dasselbe gliedert sich in zwei Racen: die eine, ein Nomadenstamm, gleich den Samojeden, bilden die Renthier-Tschuktschen, die andere hat bleibende Wohnsitze, das sind die »seßhaften« Tschuktschen. Sowohl die Lebensweise, als auch der Gesichtsausdruck und selbst die Sprache weichen bei beiden von einander ab. Das Idiom der seßhaften Tschuktschen nähert sich sehr dem der Eskimos, an welche auch ihre »Vaïdarken« oder Lederboote, die meisten Geräthe und die Gestalt der Hütten lebhaft erinnern.
    Lütke sah nur wenige Renthier-Tschuktschen und vermag über dieselben den von seinen Vorgängern herrührenden Nachrichten nichts hinzuzufügen. Doch schien es ihm, als hätten diese mit gar zu ungünstigen Farben gemalt und die Unverträglichkeit und Wildheit der Tschuktschen ungebührlich übertrieben.
    Die seßhaften Tribus, gewöhnlich auch die Namollos genannt, verbringen den Winter in einer Art Baracken, den Sommer in mit Häuten bedeckten Hütten. Letztere dienen in der Regel als Wohnung für mehrere Familien.
    »Die Söhne mit ihren Frauen und die Töchter mit ihren Männern, heißt es in dem Berichte, leben hier mit ihren Eltern zusammen. Jede Familie nimmt eine, durch einen Vorhang abgegrenzte Art Kammer an der Langseite der Hütte ein. Diese Vorhänge bestehen aus Renthierhäuten, welche in Form einer Glocke zusammengenäht werden; sie hängen an den Deckbalken und reichen bis zur Erde herab. Zwei bis drei Personen, gelegentlich noch mehr, erwärmen mit Thran, den sie mit eintretender Kälte entzünden, die Luft unter diesem fast hermetisch schließenden Vorhange so weit, daß jede Bekleidung überflüssig wird; freilich gehört auch eine Tschuktschen-Lunge dazu, in dieser Atmosphäre zu athmen. In dem Vorderraume der Hütte befinden sich alle Geräthe, das Küchengeschirr, Körbe, Säcke aus Seehundfellen u. s. w. Hier steht auch der gemeinsame Herd, wenn man die Stelle so nennen darf, an der einige Weidenzweige brennen, die mit Mühe aus den Sümpfen geholt werden, und welche bei Mangel derselben Fischknochen, an denen noch etwas Fett hängt, ersetzen müssen. Auf Gerüsten aus Holz oder Fischknochen hängt rings um die Hütte, in Stücken geschnitten, das schwarze, widerliche Seehundsfleisch zum Trocknen.
    Die Lebensweise dieser Völkerschaften ist wahrhaft jämmerlich. Sie nähren sich von dem halbrohen Fleische der Robben und Walrosse, die sie jagen, oder mit dem von Walfischen, welche das Meer auf den Strand warf. Der Hund ist das einzige Hausthier, das sie besitzen; sie behandeln denselben sehr schlecht, obwohl diese armen Thiere sehr anhänglich gegenüber ihren Herren sind und diesen große Dienste leisten, indem sie entweder die Baïdarken an Zugseilen im Wasser oder die Schlitten über den Schnee ziehen.«
    Nach einem zweiten, fünfwöchentlichen Aufenthalt in

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