Der Triumph des 19. Jahrhunderts
besaß auch noch eine große Schaluppe. Sollte diese, wenn sie höher gebaut und mit einem Deck versehen wurde, nicht Montevideo erreichen und von da ein Schiff holen zu können, um das Personal und das Material der Expedition fortzuschaffen?
Freycinet beschloß diesen Weg einzuschlagen, und von diesem Augenblicke an wurde keine Minute verloren. Die Matrosen schienen Alle neues Leben und neue Kraft zu gewinnen, so daß die Arbeit rasch vorwärts ging. Jetzt wünschte der Commandant sich Glück dazu, seinerzeit in Toulon in den verschiedensten Gewerben erfahrene Seeleute angeworben zu haben. Schmiede, Segelmacher, Seiler, Zimmerer – Alle widmeten sich mit größtem Eifer der Aufgabe, die ihnen oblag.
Ueber die auszuführende Reise machte man sich keinerlei Gedanken. Nur dreihundertfünfzig Meilen trennten die Malouinen von Montevideo, und die zu dieser Jahreszeit vorherrschenden Winde mußten es der »Espérance« – so taufte man die verwandelte Schaluppe – ermöglichen, diese Strecke binnen wenigen Tagen zurückzulegen.
Immerhin mußte man darauf Rücksicht nehmen, daß es dem gebrechlichen Fahrzeuge vielleicht nicht gelingen könne, den La Plata zu erreichen. Deshalb beschloß Freycinet, sogleich nach der Abfahrt desselben noch den Bau einer Goëlette von hundert Tonnen beginnen zu lassen.
Obwohl diese verschiedenartigen und vielfachen Arbeiten fast alle Kräfte in Anspruch nahmen, wurden doch auch die gewöhnlichen astronomischen, physikalischen, naturgeschichtlichen und hydrographischen Beobachtungen nicht vernachlässigt, als ob man hier nur ruhig vor Anker läge.
Endlich war das Schiffchen fertig und wurde vom Stapel gelassen. Die Instructionen für seinen Befehlshaber, Kapitän Duperrey, wurden aufgesetzt, die Leute zur Besatzung desselben ausgewählt, die Lebensmittel eingeschifft, und schon war die Abreise für den zweitfolgenden Tag, den 19. März 1820, festgesetzt, als der Ruf: »Ein Schiff! Ein Schiff in Sicht!« erscholl. Eine Slup unter vollen Segeln fuhr eben in die Bai ein.
Man feuerte mehrere Kanonenschüsse ab, um deren Aufmerksamkeit zu erregen, und der Führer derselben beeilte sich in Folge dessen, an’s Land zu kommen.
Mit kurzen Worten theilte Freycinet jenem mit, auf welche Weise er mit seinen Leuten an diesen Strand verschlagen worden war.
Der Führer der Slup erklärte, daß er zu einem größeren amerikanischen Schiffe, der Brigg »General Knox«, gehöre, welche bei der Insel West, der westlichsten Spitze der Malouinen, mit dem Robbenfange beschäftigt sei.
Darauf hin wurde ein Officier beordert, sich mit dem Befehlshaber des genannten Schiffes in’s Einvernehmen zu setzen, inwieweit jener im Stande sei, den Franzosen Hilfe leisten zu können. Dieser verlangte aber nicht weniger als 135.750 Francs für die Ueberführung der Schiffbrüchigen nach Rio; das war denn doch eine etwas zu unverschämte Forderung. Der französische Officier wollte ohne Zustimmung seines Vorgesetzten keinen bindenden Vertrag mit dem Amerikaner eingehen und ersuchte deshalb denselben, sich nach der »Bai der Franzosen« zu begeben.
Während dieser Unterhandlungen erschien noch ein anderes Fahrzeug, die »Mercury«, Kapitän Galvin, in der Bai. Dasselbe hatte auf der Fahrt von Buenos-Ayres nach Valparaiso mit einer Ladung Kanonen, im Begriff, das Cap Horn zu doubliren, ein bedeutendes Leck bekommen und sich gezwungen gesehen, die Malouinen betreffs Ausbesserung desselben anzulaufen. Für die Franzosen war das ein glücklicher Zufall, da die Concurrenz der beiden Schiffe nur zu ihrem Vortheile dienen konnte.
Freycinet bot sofort dem Kapitän Galvin an, ihm zur Reparatur der Havarien seine Leute und Matrosen zur Verfügung zu stellen, mit dem Bemerken, daß, wenn seine Zimmerleute im Stande wären, den Schiffsrumpf wieder auszubessern, er jenen ersuche, ihn selbst und seine Leute nach Rio de Janeiro zu befördern.
Nach Verlauf von vierzehn Tagen waren die Reparaturen beendigt. Die Unterhandlungen mit »General Knox« zerschlugen sich wegen der ungeheueren Forderung des amerikanischen Kapitäns, welche Freycinet nicht bewilligen wollte. Auch mit Kapitän Galvin bedurfte es mehrerer Tage, um handelseinig zu werden, und diesen zu folgendem Vertrage zu bestimmen:
1. Der Kapitän Galvin übernimmt es, die Schiffbrüchigen, ihre Papiere, Sammlungen und Instrumente, ebenso wie Alles, was von Ueberresten der »Uranie« unterzubringen ist, nach Rio zu schaffen.
2. Die Schiffbrüchigen haben sich unterwegs
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