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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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drehte mich nicht nach ihr um.
    »Ihr habt am Montag einen Toten aus der Isar geborgen, draußen beim Bleichwehr«, sagte ich zu dem Wachführer.
    Er sah mich vorsichtig an und sagte: »Das ist richtig, Herr.« Er fragte nicht, woher ich dies wüßte oder wie ich dazu käme, ihm Fragen zu stellen; vermutlich war er noch zu erschrocken von seiner eben erfolgten Blamage.
    »Wo ist die Leiche jetzt?«
    Er zog seine Augenbrauen erstaunt hoch.
    »Wir haben sie verscharren lassen«, erwiderte er. Ich schnaubte verärgert; ich war tatsächlich zu spät. Ich wandte mich zu Hanns Altdorfer um und sagte resigniert: »Ich hätte mich gleich darum kümmern müssen. «
    »Sie fing schon an zu stinken«, sagte der Wachführer zur Entschuldigung.
    »Der Tote hatte eine Ledertasche, die Ihr untersucht habt. Was fandet Ihr darin?«
    »Ein Siegel und einige Tonscherben.«
    »Sonst nichts?«
    »Nein.«
    Ich fragte: »Hatte der Tote nicht einen eingeschlagenen Schädel und einen Strick um die Füße?«
    »Das stimmt. Die Wunde an seinem Kopf sahen wir gleich; die Schlinge erst später. Sie war zu sehr in sein Fleisch eingesunken.«
    Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Altdorfer angeekelt den Kopf zur Seite wandte.
    »Was glaubt Ihr, hat das zu bedeuten?« fragte ich. Der Wachführer zuckte gleichmütig mit den Schultern.
    »Er wird mit dem Kopf irgendwo angeschlagen sein, als er den Fluß heruntertrieb«, erwiderte er. »Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht.«
    »Und die Schlinge?«
    Er verzog das Gesicht und antwortete nichts. Er hatte es nicht als seine Aufgabe angesehen, sich um den Zustand einer Wasserleiche, die man zufällig aus dem Fluß geborgen hatte, Gedanken zu machen.
    Ich nickte langsam.
    »Darf ich das Siegel sehen?« erkundigte ich mich dann.
    Jetzt wurde er mißtrauisch. Er machte schmale Augen und musterte mich zum erstenmal eingehend; die Fragerei wurde ihm zuviel.
    »Seid Ihr ein Angehöriger?« fragte er.
    »Ihr sollt antworten, nicht Fragen stellen!« bellte Altdorfer.
    »Ein Partner, dessen Geschäft ich mitführe, vermißt einen seiner Schreiber«, sagte ich glatt.
    Der Wachführer brummte etwas, aber scheinbar war er zufrieden.
    Er drehte sich zu einem seiner Männer um.
    »Haben wir das Zeug des Toten noch da?«
    Sie nickten eifrig, noch immer verwirrt von dem Schreck, der sie aus ihrer lüsternen Beschäftigung gerissen hatte, und bestrebt, den schlechten Eindruck wieder wettzumachen. Einer bückte sich zu einer verschlossenen Truhe, deren Schlüssel sinnigerweise auf einem Brett gleich darüber lag, öffnete sie und förderte nach einigem Kramen einen leinernen Beutel zutage, den er auf den Tisch legte. Der Wachführer nestelte das Band auf und schüttete den Inhalt heraus; Münzen, ein paar grünspanüberzogene billige Schmuckstücke und sonstiger Kleinkram, den man bei ihnen abgegeben oder den sie selbst gefunden und behalten hatten, rollten auf die Tischplatte. Das Siegel war darunter. Ich hob es auf und zeigte es Hanns Altdorfer.
    Er hielt die Siegelfläche ins Licht und betrachtete sie. Seine Brauen zogen sich zusammen. Er warf mir einen raschen Blick zu, dann sah er sich um. Als er nicht fand, wonach er suchte, trat er nach draußen. Ich folgte ihm überrascht. Er suchte den Boden ab, kniete sich neben der Turmmauer am Rand der Straße nieder und fegte mit der Hand ein paar Steinchen von einer kleinen Fläche glatten, festgetretenen Lehmbodens. Mit der anderen Hand hob er das Siegel und rammte es fest in den Lehm. Ein schwacher Abdruck war zu erkennen, nicht besonders deutlich, aber für den Stadtkämmerer genügte er. Er sah zu mir auf und holte tief Luft. Er machte den Mund auf, aber ich schüttelte leicht den Kopf; er schloß ihn wieder und erhob sich. In seinem Gesicht arbeitete es. Er packte das Siegel fester.
    »Wir nehmen es mit«, erklärte er den umstehenden Wappnern.
    Der Anführer nickte ohne Widerspruch. Er wußte, daß er es nicht hätte behalten dürfen.
    »Natürlich«, sagte er; dann drückte und drückte er und brachte schließlich heraus: »Wegen vorhin, Herr; ich bitte Euch zu verstehen ...«
    Hanns Altdorf er sah ihn mit neu erwachendem Ärger an. Ich kam ihm zuvor.
    »Es ist in Ordnung«, erwiderte ich rasch, und auch Altdorf er rang sich dazu durch zu sagen: »Laßt Euch ja nicht mehr erwischen.«
    Er drehte sich ohne Gruß um und stapfte davon; bei seiner sonstigen Höflichkeit ein deutliches Zeichen seines Zorns, und diesmal trottete ich ihm hinterdrein. Außer Hörweite der

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