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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Leutgeb, und ich zuckte vor seiner Stimme zurück. Ich sah in meines Vaters Augen, ich saugte mich förmlich in seinen Blick hinein.
    ›Der Mann!‹ schrie ich und begann zu weinen. ›Mutters Mann.‹
    Ich sah nicht, was danach passierte; ich konnte nichts mehr sehen, weil die Tränen wie Ströme aus meinen Augen rannen und ich so stark schluchzte, daß es mich schüttelte und ich zu ersticken glaubte. Mein Vater drückte mich an sich, und ich weinte Rotz und Wasser auf sein Wams. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ihnen klarwurde, was ich gemeint hatte. Jemand zerrte mich aus den Armen meines Vaters, ich wollte nicht loslassen, aber meine Finger waren zu schwach, und mein Vater selbst bog sie auf und streckte mich von sich. Jemand anderer drückte mich an sich, ich roch den herben Geruch von Heinz Eberleins schweißgebadetem runden Körper und wand mich wie ein Verrückter, um zu meinem Vater zurückzugelangen. Eberlein wehrte meine schwachen Fäuste ab, mit denen ich versuchte, ihn ins Gesicht zu schlagen, und zog mich nach draußen. Er brachte mich aus dem Haus, aus der Gasse, und in weniger als einer Stunde aus der Stadt. Das letzte, was ich von meinem Vater sah, war sein tief gefurchtes Gesicht, mit dem er voller Entsetzen Christian Leutgeb anblickte.«
    Er sank langsam zurück, und ich hörte ein sanftes Klopfen: die Stuhlbeine, die zurück auf den Boden prallten. Er sah mich ausdruckslos an.
    »Wohin hat Eberlein Euch gebracht?« fragte ich.
    »Er hatte Verwandte in Ingolstadt, die seine Familie und mich aufnahmen. Es stellte sich heraus, daß er der einzige gewesen war, der vorgesorgt hatte : Er war ängstlicher oder schlauer als alle anderen gewesen. Seine Frau und seine Kinder, sogar seine greise Mutter befanden sich bereits bei den Verwandten, dazu der klägliche Rest seines Vermögens, den er zwei Jahre vorher hatte retten können.«
    »Nach Ingolstadt«, flüsterte ich.
    »Es war eine sichere Zuflucht. Herzog Heinrich und Herzog Ludwig der Bärtige waren verfeindet.«
    »Was ist mit den Aufständischen passiert?«
    Er schnaubte resigniert.
    »Es dauerte lange, bis ich alle Einzelheiten herausgefunden hatte«, sagte er. »Als ihnen klargeworden war, daß ich mit meinen Worten hatte sagen wollen, meine Mutter habe einen Liebhaber und dieser wisse Bescheid, konnten sie sich nicht einigen, ob dies eine Gefahr darstellte, und wenn, wie groß sie war. Wie sollten sie auch ahnen, daß meine Mutter einen Höfling vom Herzogshof zum Galan hatte. Nach einigem Hin und Her entschloß sich mein Vater, zusammen mit Martin von Asch meine Mutter zu befragen, aber sie sie öffnete ihnen die Tür nicht. Sie wußten nicht, ob sie sie eintreten sollten; sie taten es nicht. Vielleicht war mein Vater dagegen; vielleicht ließ ihn das plötzliche Bewußtsein, daß seine Schande noch größer war als angenommen, nicht mehr klar denken. Sie stürzten unverrichteter Dinge die Treppe wieder hinab. Er und mein Großvater plädierten dafür, die Sache sofort zu beenden und die Verbannten wieder nach draußen zu schaffen, aber Leutgeb und die meisten der Verbannten waren dagegen. Sie waren der Ansicht, daß sie sofort Unterstützung aus der Stadt bekommen würden, sollte der Herzog etwas gegen sie unternehmen, und abgesehen davon, wie hätte der Herzog es erfahren sollen? Der Liebhaber meiner Mutter war wahrscheinlich ein Maurergeselle oder etwas ähnliches, der in wildem Entsetzen davongestürmt war und sich in irgendeinem Loch verkrochen hatte. Sie begannen darüber zu streiten, nehme ich an; sie vertrödelten die ganze Zeit, die ihnen zur Flucht geblieben wäre. Schließlich spalteten sie sich in zwei Lager, von denen das eine, kleinere, von meinem Vater und meinem Großvater angeführt wurde; sie beschlossen, sofort aus der Stadt zu fliehen. Leutgebs Fraktion wollte die Bürger wecken und auf die Burg marschieren. Sie kamen beide nicht mehr dazu, ihre Pläne umzusetzen. Der Herzog und seine Berater hatten so schnell reagiert, wie es ihnen möglich war. Leutgeb und seine Männer kamen kaum bis in die Altstadt, als ihnen ein Haufen Wappner entgegenrannte. Sie kehrten voller Entsetzen um und flüchteten sich zurück ins Haus meines Vaters, die Wappner auf den Fersen. Dann begann das Schlachten.«
    Er räusperte sich und biß sich auf die Lippen. Es schien ihn Kraft zu kosten, seine Stimme noch immer ruhig zu halten.
    »Der Herzog war noch nicht einmal mit dabei; später erfuhr ich, daß ihn seine Kanzler sofort zur Abreise

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